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Entscheidungen des Monats
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Landgericht Koblenz – Urteil vom 31.08.2023 – 3 O 294/22
(nicht rechtskräftig)
Verstößt der Betreiber eines Hotels gegen die Verkehrssicherungspflicht, wenn die Treppe zu den Gästezimmern nur einen Handlauf besitzt und die einzelnen Treppenstufen mit Teppichflicken belegt sind? Diese Frage hatte die 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.
Der Sachverhalt:
Der Beklagte betreibt in einem Moselort ein Hotel, in welchem die Klägerin mit ihrem Ehemann im Juni 2020 einen siebentägigen Aufenthalt gebucht hatten. Das Zimmer der Klägerin befand sich im zweiten Stock und war über eine Holztreppe zur erreichen. Die Holztreppe zeigt im Fußbereich eine Kurve auf und hat auf der rechten Seite einen Handlauf. Die einzelnen Treppenstufen sind zudem mit einem Teppichflicken belegt.
Am dritten Tag des Aufenthalts wollte die Klägerin einen Spaziergang unternehmen. Beim Hinabsteigen der Treppe stürzte die Klägerin und zog sich einen Bruch des linken Fußes mit mehreren Frakturen zu. Die Klägerin musste mehrmals operiert werden und war nach dem Sturz zwei Monate vollständig arbeitsunfähig. Im Anschluss befand sie sich sechs Wochen in der Wiedereingliederungsphase.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Sturz und die davongetragenen Verletzungen auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht beruhen. Die Verkehrssicherungspflichtverletzung würde in dem fehlenden zweiten Geländer sowie in den Teppichflicken, die Stolperfallen darstellen, bestehen.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 € sowie weiteren Schadensersatz in Höhe von 5.000 €.
Die Entscheidung:
Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat die Klage abgewiesen.
Nach informatorischer Anhörung der Klägerin und Durchführung der Beweisaufnahme ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass dem Beklagten eine Verkehrssicherungspflichtverletzung nachgewiesen ist.
Zwar ist grundsätzlich derjenige, der einen Gefahrenbereich eröffnet, verpflichtet diesen entsprechend abzusichern. Die deliktischen Sorgfaltspflichten verlangen dabei keine absolute Sicherheit in dem Sinne, dass der Eintritt von Rechtsgutsverletzungen schlechthin ausgeschlossen wäre, denn ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Der Sicherungspflichtige ist daher weder gehalten, jede abstrakte Gefahr auszuschließen, noch dazu verpflichtet, konkrete Gefahren gänzlich auszuschließen oder auf einen Wahrscheinlichkeitswert nahe null zu minimieren.
Trotz der Tatsache, dass die streitgegenständliche Treppe nur auf einer Seite einen Handlauf aufweise, könne hierin keine Verkehrssicherungspflichtverletzung gesehen werden. Die Vorschriften der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz fordern für Treppen einen festen und griffsicheren Handlauf, der vorliegend unstreitig vorliege. Auch stellt die streitgegenständliche Treppe mit ihrer Breite von 1,10 Meter keine besonders breite Treppe dar, sodass auch nicht ausnahmsweise zwei feste und griffsichere Handläufe gefordert werden.
Weiterhin sei die Klägerin aufgerufen „sich auch selbst zu schützen“, und zwar vor allem dadurch, dass sie auf erkennbare Gefahrenquellen durch eigene Sorgfaltsanstrengungen reagiert. Dabei muss vor Gefahren, die „mit Händen zu greifen“ sind, nicht einmal gewarnt werden, weil die Gefahrenquelle „vor sich selbst warnt“. Die Treppe war der Klägerin aufgrund ihres bereits seit zwei Tagen andauernden Aufenthalts bekannt, sodass sie sich auf die vermeintliche Gefahrenlage einstellen konnte.
Abschließend sei die streitgegenständliche Treppe sowie die Teppichflicken nicht kausal für den Sturz, weil die Klägerin im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung angegeben habe, dass sie auf der Treppe umgeknickt sei und dann Halt gesucht habe, diesen aber nicht gefunden habe.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch:
§ 823 Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) ...
Justizmedienstelle des Landgerichts
Koblenz im Oktober 2023
LG Koblenz – Urteil vom 24.07.2023 – 1 O 224/22
(nicht rechtskräftig)
Kann eine Spielerin ihre in den Jahren 2015 bis 2020 in einem Online-Casino erlittene Verluste von deren Betreiberin zurückverlangen? Diese Frage hatte die 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu entscheiden.
Zum Sachverhalt:
Die Beklagte ist ein führender Online-Glücksspiel-Anbieter aus Malta, welcher mehrere Online-Casino-Seiten betreibt und über eine Glücksspiellizenz der Glücksspielbehörde von Malta verfügt. Über eine entsprechende Glücksspiellizenz in Deutschland oder für das Bundesland Rheinland-Pfalz, in welchem die Klägerin wohnt, verfügte die Beklagte hingegen jedenfalls im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Spieleinsätze nicht. Die Internetseiten der Beklagten nebst den FAQ und den Geschäftsbedingungen sind vollständig auf Deutsch abgefasst.
In der Zeit vom 27.12.2015 bis zum 02.12.2020 verlor die Klägerin auf den Online-Casino-Seiten der Beklagten unter Berücksichtigung von Gewinnen (Einzahlungen abzüglich Auszahlungen) Spielbeträge von insgesamt 632.250,00 €.
Die Klägerin ist der der Auffassung, dass aufgrund des damaligen gesetzlichen Verbot von Online-Glückspielen sie einen Rückzahlungsanspruch auf die geleisteten Einsätze habe. Weiterhin habe sie erst im Jahr 2022 erfahren, dass Online-Glückspiele im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erlaubt gewesen seien, sodass mögliche Rückzahlungsansprüche nicht verjährt seien.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Erstattung der Spieleinsätze in Höhe von 632.250 €.
Die Entscheidung:
Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat der Klage vollumfänglich stattgegeben.
Die Klägerin habe einen Rückzahlungsanspruch auf die geleisteten und verlorenen Spieleinsätze in Höhe von 632.250,00 €, weil die Beklagte diese ohne Rechtsgrund erlangt habe. Der zwischen den Parteien geschlossene Online-Glückspielvertrag verstoße im streitgegenständlichen Zeitraum gegen ein gesetzliches Verbot und sei deshalb nichtig.
Zwar sei der Glückspielstaatsvertrag im Jahr 2021 neu geregelt und es bestünde nunmehr die Möglichkeit, eine Erlaubnis für öffentliche Glückspiele im Internet zu erhalten. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage des Gesetzesverstoßes sei vorliegend aber Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, sodass es auf die Frage einer etwaigen späteren Legalisierung des Angebots der Beklagten nicht ankomme.
Vorliegend könne sich die Beklagte auch nicht auf § 762 BGB berufen, weil diese Vorschrift nur greife, wenn die Rückforderung auf den Spielcharakter gestützt wird.
Auch könne sich die Beklagte nicht auf § 817 S. 2 BGB berufen, wonach die Rückforderung ausgeschlossen ist, wenn auch dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zur Last fällt. Die Beklagte sei insoweit beweispflichtig geblieben, dass die Klägerin in subjektiver Hinsicht vorsätzlich verbotswidrig gehandelt oder sich der Einsicht in die Gesetzeswidrigkeit zumindest leichtfertig verschlossen hat. Ein lediglich objektiver Verstoß gegen das Verbotsgesetz genüge nicht.
Im Rahmen der persönlichen Anhörung der Klägerin ist die Kammer nicht zur der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin positiv wusste, dass Online-Glücksspiele in Deutschland (mit Ausnahme von Schleswig-Holstein) in dem streitgegenständlichen Zeitraum verboten waren. Die Klägerin habe sich problemlos auf der deutschsprachigen Webseite der Beklagten registrieren und auch die entsprechenden Zahlungen vornehmen können. Im Übrigen drängt sich nicht ohne Weiteres auf, dass die gleichen Glücksspiele, die in Spielhallen und Casinos erlaubt sind, einem Totalverbot unterliegen, wenn sie im Internet angeboten und zudem in den Medien beworben werden. Hinzu kommt, dass die Beklagte über eine Lizenz in einem EU-Staat verfügt und ihre Leistungen in Deutschland frei zugänglich angeboten hat. Bei dieser Sachlage musste es sich für die Klägerin nicht aufdrängen, dass das aus dem europäischen Ausland stammende Online-Angebot verboten sein könnte.
Schließlich seien die geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt, weil die Beklagte beweisfällig geblieben ist, dass die Klägerin tatsächlich vor dem Jahr 2022 Kenntnis von der den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat.
Auszug aus dem Glückspielstaatsvertrag 2011:
§ 4 Allgemeine Bestimmungen
(1) […]
(4) Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten.
Auszug aus dem Glückspielstaatsvertrag 2021:
§ 4 Allgemeine Bestimmungen
(1) […]
(4) Eine Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet darf nur für den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien, für die Veranstaltung, Vermittlung und den Eigenvertrieb von Sportwetten und Pferdewetten sowie für die Veranstaltung und den Eigenvertrieb von Online-Casinospielen, virtuellen Automatenspielen und Online-Poker erteilt werden. Im Übrigen sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch:
§ 817 Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten
[...] Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.
Landgericht Koblenz, Justizmedienstelle
Koblenz im September 2023
LG Koblenz – Urteil vom 12.06.2023 – 5 O 38/21
(rechtskräftig)
Wer haftet für die Folgen eines Hundebisses, wenn nicht abschließend geklärt werden kann, welcher Hund zugebissen hat? Diese Frage hatte die 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.
Zum Sachverhalt:
Der als selbstständiger Dachdecker tätige Kläger führte am Abend des 19.08.2020 seinen angeleinten Hund spazieren, als er auf der Höhe des Anwesens seines Nachbarn, dem Beklagten zu 1.) stehen blieb, um sich mit diesem zu unterhalten. Der Hund der Ehefrau des Beklagten zu 1.), der Beklagten zu 2.) befand sich zu diesem Zeitpunkt unangeleint in der offenen Garage. Das Grundstück der Beklagten verfügt über keine Einfriedung zwischen der Garage und dem öffentlichen Bürgersteig. Der Hund der Beklagtenseite lief plötzlich in Richtung des Hundes des Klägers und konnte durch den Beklagten zu 1.), was ihm bewusst war, weder körperlich noch durch Zurufe zum Anhalten bewegt werden.
Es kam zwischen den beiden Hunden zu einem Gerangel auf dem öffentlichen Bürgersteig. Als der Kläger versuchte, die beiden Hunde voneinander zu trennen, wurde er von einem der beiden Hunde gebissen.
Aufgrund des Bisses erlitt der Kläger eine ca. 2 Zentimeter lange Bisswunde am rechten Ringfinger mit einer Durchtrennung des Nervenastes N 7. Die Verletzungsfolgen mit Taubheitsgefühl, Bewegungseinschränkung, Kraftminderung und Narbenbildung des rechten Ringfingers sind dauerhaft.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage Schadensersatz (Verdienstausfall) in Höhe von ca. 7.000 € sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 €.
Die Entscheidung:
Die 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat der Klage teilweise stattgegeben. Nach der Beweisaufnahme steht für die Kammer fest, dass die Beklagten dem Kläger gegenüber als Gesamtschuldner haften. Der Hund der Beklagten zu 2.) stelle ein sog. Luxustier dar, sodass die Beklagte zu 2.) aufgrund der Tierhaltergefährungshaftung nach § 833 S. 1 BGB für den eingetretenen Schaden dem Grunde nach hafte. Ob der Hund der Beklagten tatsächlich zugebissen habe, könne dahinstehen, weil allein die bloße Mitverursachung bzw. ein bloßes mittelbares Verursachen ausreiche, um die Haftungsvoraussetzungen zu erfüllen.
Auch der Beklagte zu 1.) hafte vorliegend ausnahmsweise aus § 823 Abs. 1 BGB. Zwar durfte der Hund grundsätzlich unangeleint auf dem eigenen Grundstück sein. Der Beklagte zu 1.) wusste jedoch, dass er den Hund weder körperlich noch durch Zurufen daran hindern konnte, das Grundstück zu verlassen. Angesichts dieser besonderen Umstände hafte der Beklagte zu 1.) aufgrund eines Sorgfaltspflichtverstoßes ebenfalls.
Die grundsätzlich vollumfängliche Haftung der Beklagten sei vorliegend jedoch durch ein Mitverschulden des Klägers in Höhe von 50 % gemindert, weil der Kläger in das Gerangel der beiden Hunde eingegriffen habe, obwohl hierfür bei besonnener Abwägung der wechselseitigen Risiken keine Veranlassung bestanden hat. Ein durchschnittlicher und gewissenhafter Hundebesitzer würde in einer solchen angespannten Situation, in der sich zwei Hunde raufen bzw. ein Hund offensichtlich ohne freundliche Absichten auf den anderen Hund zurennt, diesem weder versuchen den Weg zu verstellen noch in das Geschehen einzugreifen.
Angesichts der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehenden Verletzungen sei ein Schmerzensgeld unter Berücksichtigung der Mithaftung von 50 % in Höhe von 4.000 € angemessen, sodass die Beklagten insgesamt zur Zahlung von 7.500 € verurteilt wurden.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB):
§ 823 Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) ...
§ 833 Haftung des Tierhalters
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. ...
Justizmedienstelle des Landgerichts Koblenz
Koblenz im August 2023
Landgericht Koblenz – Urteil vom 31.05.2023 – 10 O 227/22
(nicht rechtskräftig)
Hat die Teilkaskoversicherung einen Sachschaden zu regulieren, wenn der Fahrer eines Fahrzeugs aufgrund von behaupteten Wildwechsel in den Graben fährt? Diese Frage hatte die 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu entscheiden.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümer eines PKW Daimler-Chrysler Modell 300 c, welches bei der Beklagten teilkaskoversichert ist. Der Ehemann der Klägerin, der Zeuge M., befuhr am Unfalltag im Januar 2022 eine Kreisstraße die durch ein Waldstück führt. Auf nasser Fahrbahn rutschte der Zeuge mit dem von ihm geführten Fahrzeug in den Graben, wo das Fahrzeug mit einem Baumstumpf kollidierte. Durch den Aufprall entstand ein Sachschaden (wirtschaftlicher Totalschaden) in Höhe von 6.522,68 €.
Die Klägerin behauptet, ihrem Ehemann sei in dem Waldstück unvermittelt ein Reh von rechts kommend vor das Auto gelaufen. Nur aufgrund eine Vollbremsung habe der Ehemann einen direkten Frontalzusammenstoß mit dem Tier vermeiden können und das Reh lediglich touchiert. Vor diesem Hintergrund sei das Fahrzeug auf nasser Fahrbahn in den Graben und gegen den Baumstumpf gerutscht. Das getroffene Reh sei geflüchtet und nicht mehr aufgefunden worden.
Die Beklagte bestreitet den behaupteten Unfallhergang.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des entstandenen Schadens in Höhe von 6.522,68 €.
Die Entscheidung:
Die 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen.
Nach der Beweisaufnahme sei die Klägerin beweisfällig geblieben, dass dem Unfallereignis tatsächlich ein Wildunfall zugrunde lag. Das Gericht habe nicht die notwendige Überzeugung gewonnen, dass der Unfall wie von der Klägerin behauptet stattgefunden habe.
Die Ausführungen des angehörten Zeugen M. seien nicht derart belastbar, dass sich hierauf eine richterliche Überzeugung gemäß § 286 ZPO hinsichtlich des behaupteten Unfallgeschehens stützen lasse. Die Angabe des Zeugen seien zu vage und unpräzise, weil er keine konkreten Details bekunden konnte, wie und wo er das Wildtier wahrgenommen hat, sei es unmittelbar vor der Kollision, sei es, nachdem es zu einem Unfall gekommen ist und auch, wie und wohin sich das Tier dann entfernt hat.
Auch andere objektive Anhaltspunkte dafür, dass es zu einem Wildunfall im Sinne einer Berührung des klägerischen Fahrzeugs mit einem Wildtier gekommen ist, konnte im Rahmen der Beweisaufnahme nicht ermittelt werden. Die angehörten Zeugen die das Fahrzeug inspizierten, konnten keine Spuren eines stattgehabten Wildunfalls am klägerischen Fahrzeug sichern. Zwar sei es nicht verwunderlich, dass aufgrund des Aufpralls und der Zerstörung des Kühlergrills und der Fahrzeugfront keine Hinweise wie Blut, Sekret, Wildhaare oder ähnliches gefunden wurden. Jedoch können daher objektiver Anhaltspunkte auch nicht den Vortrag der Klägerin stützen.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch:
§ 286 Freie Beweiswürdigung
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) ...
Landgericht Koblenz, Justizmedienstelle
Koblenz im Juli 2023
Landgericht Koblenz – Urteil vom 24.04.2023 – Aktenzeichen 4 O 98/21
(nicht rechtskräftig)
Muss ein Mieter, der beim Umzug zwei Kratzer in einem Aufzug verursacht, den kompletten Austausch der Edelstahlverkleidung bezahlen? Diese Frage hatte die 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu entscheiden.
Zum Sachverhalt:
Der Kläger ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in K. Dort ist ein Personenaufzug, Baujahr 2015, eingebaut, dessen Kabine innen mit einer Edelstahlverkleidung ausgekleidet ist. Im November 2019 nutzte der Beklagte, ein ehemaliger Mieter des Klägers, bei seinem Auszug den Aufzug. Beim Einstellen von Möbel in den Aufzug verursachte der Beklagte an der Rückwand und der linken Seitenwand jeweils einen Kratzer. Der Kläger behauptet, zur Wiederherstellung des Aufzugs sei ein vollständiger Austausch der Seiten- und Rückwand erforderlich, was insgesamt einen Reparaturaufwand in Höhe von 13.550,00 € (netto) verursache. Außergerichtlich zahlte die Haftpflichtversicherung des Beklagten an den Kläger zur Abgeltung des Schadens einen Betrag in Höhe von 5.000 € und ist der Auffassung, dass weitergehende Ansprüche im Hinblick auf den Schaden unverhältnismäßig seien. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung des Differenzbetrags in Höhe von 8.550 € zuzüglich angefallener Kosten für den Kostenvoranschlag in Höhe von 206,47 €.
Die Entscheidung:
Die 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat der Klage vollumfänglich stattgegeben.
Nach der Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens steht für die Kammer fest, dass eine tatsächliche Schadensbeseitigung aus technischen Gründen nur durch den Austausch der beschädigten Edelstahlverkleidungen und durch den Ersatz gleichwertiger Originalteile möglich ist. Die Anbringung einer zusätzlichen Wandverkleidung mit dem Zweck, die Schäden zu kaschieren, sei aus statischen Gründen nicht möglich.
Auch sind die erforderlichen Kosten nicht unverhältnismäßig. Grundsätzlich habe der Geschädigte einen Anspruch auf Naturalrestitution, d.h. auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bzw. auf den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag (§ 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB). Dies sei nur dann ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn die Wiederherstellung nur mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen möglich ist (§ 251 Abs. 2 S. 1 BGB).
Im Rahmen der durchgeführten Abwägung spreche für einen Austausch der beschädigten Teile, dass eine anderweitige Lösung technisch nicht möglich sei. Zwar handele es sich nur um eine „optische“ Beeinträchtigung, welche aber nach den Ausführungen des Sachverständigen deutlich erkennbar sei.
Auch scheitere ein Abzug „Neu für Alt“, denn mit der Wiederherstellung der beschädigten Wandverkleidungen geht weder eine Verbesserung des Aufzugs noch eine Verlängerung seiner Lebensdauer einher. Ein Aufzug ist stetig im Hinblick auf die Betriebssicherheit zu überprüfen und muss ständig dem jeweiligen Stand der Technik angepasst werden. Dies führt dazu, dass zugelassene Aufzüge regelmäßig erneuert und modernisiert werden müssen.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch
§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
§ 251 Schadensersatz in Geld ohne Fristsetzung
(1) ...
(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.
Landgericht Koblenz, Justizmedienstelle
Koblenz im Mai 2023