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Entscheidungen des Monats
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Landgericht Koblenz – Urteil vom 28.12.2022 – 3 O 80/21
(nicht rechtskräftig)
Haftet der Hufschmied, wenn am nächsten Tag nach dem Beschlagen ein Pferd mit Stocklahmheit im Stall aufgefunden wird und ein alter Nagel aus dem Hufstrahl entfernt werden muss? Diese Frage hatte die 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt ein Gestüt und hält mehrere Pferde für den nationalen und internationalen Vielseitigkeitssport. Der Beklagte ist Hufschmied und beschlug an einem Tag im Oktober 2019 auf dem Gestüt der Klägerin insgesamt vier Pferde neu bzw. frisch, darunter auch das streitgegenständliche Dressurpferd D.
Unmittelbar nach dem Beschlagen führte eine Mitarbeiterin der Klägerin das Pferd D. zurück in die Box, bevor es gegen späten Nachmittag von einem Mitarbeiter der Klägerin zur Vorbereitung eines Ausrittes gesattelt und eine Hufreinigung durchgeführt wurde. Eine Gesellschafterin der Klägerin führte mit dem Pferd D. sodann einen leichten Ausritt von nicht mehr als 30 Minuten durch.
Am nächsten Morgen fand eine Mitarbeiterin der Klägerin das Pferd D. mit Stocklahmheit im Stall liegend vor. Das Pferd konnte das vordere rechte Bein nicht mehr belasten. Der hinzugerufene Mitarbeiter M. entdeckte einen alten ca. 3,5 cm langen Nagel im Hufstrahl und entfernte diesen. Das Pferd D. wurde auf Rat einer Pferdeklinik umgehend in diese verbracht und dort ärztlich behandelt.
Die Klägerin behauptet, die Stute habe vor dem Beschlagen durch den Beklagten keine Probleme mit den Hufen gehabt. Der Beklagte sei für die Verletzung des Dressurpferdes D. verantwortlich, weil er seinen Arbeitsplatz in Unordnung versetzt und es so ermöglicht habe, dass das Pferd D. in einen auf dem Boden liegenden Nagel getreten sei.
Mit Ihrer Klage begehrt die Klägerin Ersatz des von ihr errechneten Schadens von insgesamt 33.670,91 €.
Die Entscheidung:
Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen.
Nach der Beweisaufnahme sei die Klägerin beweisfällig geblieben, dass der Beklagte gegen eine ihm obliegende Schutzpflicht verstoßen habe. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass das Dressurpferd D. beim Beschlagen durch den Beklagten mit der vorderen rechten Hufe in einen alten Nagel getreten sei und sich dieser in den Hufstrahl bohrte.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der informatorischen Anhörung der Gesellschafterin der Klägerin, sei die Kammer nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte für die eingetretene Verletzung des Pferdes verantwortlich sei. Die Tatsache, dass bei der Vorbereitung des Pferdes D. zum Ausritt am späten Nachmittag der Nagel nicht aufgefunden, obwohl die Hufen ausgekratzt wurden, begründen nicht auszuräumende Zweifel daran, ob das Dressurpferd D. tatsächlich während des Beschlagens oder zu einem späteren Zeitpunkt in einem auf dem Gestüt herumliegenden alten Nagel getreten ist.
In der Gesamtschau der durchgeführten Beweisaufnahme lässt sich feststellen, dass andere Umstände als ein unordentlicher Arbeitsplatz des Beklagten die Ursache für die Verletzung des Pferdes D. bilden können und sich insbesondere der Zeitpunkt der Verletzung nicht sicher auf den Zeitraum vor dem Ausritt eingrenzen lässt, weshalb der klagenden Partei die Beweisführung für eine Verantwortlichkeit des Beklagten nicht gelingt.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch:
§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) ...
Landgericht Koblenz, Justizmedienstelle
Koblenz im Januar 2023
Kaboth
Richter am Amtsgericht
Landgericht Koblenz – Urteil vom 24.11.2022 – Aktenzeichen 3 O 37/22
(nicht rechtskräftig)
Darf eine private Kindertagesstätte Betreuungsverträge ohne Angabe von Gründen kündigen? Diese Frage hatte das Landgericht Koblenz zu entscheiden.
Zum Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt eine private Kindertagesstätte in Koblenz, in der die Kläger ihre drei noch nicht schulpflichtigen Kinder betreuen ließen. Nach dem zwischen den Klägern und der Beklagten abgeschlossenen Vertrag steht beiden Seiten das Recht zu, den Betreuungsplatz mit einer Frist von drei Monaten zu kündigen. Im Oktober 2021 kündigte der Kindergarten die Betreuung für alle drei Kinder zum 31.01.2022. Eine Begründung enthielt das Kündigungsschreiben nicht.
Dagegen wehrten sich die Eltern und verlangten, dass die Betreuung fortgesetzt werde. Sie vertraten im Prozess vor dem Landgericht die Meinung, eine Kündigung ohne besonderen Grund sei nicht zulässig, die Vertragsklausel sei daher ungültig. Durch die Kündigung werde die Entwicklung der Kinder behindert. Deshalb sei eine Beendigung der Betreuung nur zumutbar, wenn es dafür wichtige Gründe gebe. Gravierende Vorfälle habe es hier aber nicht gegeben.
Die beklagte Kindertagesstätte hielt an der Kündigung fest. Sie meinte, nach dem Vertrag zu einer Kündigung ohne jede Angabe von Gründen berechtigt zu sein. Im Übrigen sei das Verhältnis insbesondere zu der Mutter der Kinder, einer verbal aggressiv auftretenden Juristin, gestört. Auch die Kinder seien in der Betreuung nicht mehr tragbar gewesen. Auf Ermahnungen reagierten sie teilweise mit Worten wie „Halt dein Maul“ und „Ich bringe dich um“, sie verletzten Erzieherinnen durch Schläge, Tritte, Bisse und Haareziehen und terrorisierten andere Kinder. An einer Zusammenarbeit mit der Einrichtung seien die Eltern nicht interessiert. Die Situation sei so weit eskaliert, dass schließlich alle Erzieherinnen der Gruppe im Oktober 2021 mit ihrer Kündigung gedroht hätten. Man habe daher keine andere Möglichkeit gesehen, als das Betreuungsverhältnis zu kündigen.
Die Entscheidung:
Das Gericht hat die Klage auf Fortsetzung der Betreuung abgewiesen.
Die vertragliche Vereinbarung, wonach beide Seiten den Betreuungsplatz auch ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von drei Monaten kündigen können, sei zulässig. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung sei daher wirksam. Zwar stelle ein erzwungener Wechsel des Kindergartens eine erhebliche Belastung für die Kinder dar. Auf der anderen Seite habe aber auch eine private Bildungseinrichtung ein verständliches Interesse, die Betreuung durch Auswahl der Kinder nach ihren Vorstellungen frei zu gestalten. Das – so führte das Gericht weiter aus – sei vom Bundesgerichtshof für Privatschulen bereits ausdrücklich so entschieden worden. Es sei daher nicht zu beanstanden, wenn sich eine private Kindertagesstätte in ihren allgemeinen Vertragsbedingungen dasselbe Recht auf eine ordentliche Vertragskündigung nehme, das auch den Eltern der Kinder zustehe.
Die Kündigung, erklärte das Gericht weiter, sei hier auch nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen unzumutbar. Ein Wechsel von Betreuungspersonen sei zwar immer eine Belastung für die Kinder, komme im Kindergartenalltag aber häufiger vor. Eine außergewöhnliche psychosoziale Gefährdung der Kinder der Kläger durch einen Wechsel des Kindergartens sei hier nicht feststellbar.
Eine Kündigung, so das Gericht in seinem Urteil, sei daher nur dann unzulässig, wenn sie willkürlich sei und daher „Treu und Glauben“ widerspreche. Das könne hier aber nicht festgestellt werden. Die Kommunikation zwischen der Einrichtung und der Kindesmutter sei offensichtlich problematisch. Die von der Mutter verfassten Schreiben seien von Vorwürfen und der Ankündigung rechtlicher Konsequenzen geprägt. Es liege auf der Hand, dass diese schriftliche Kommunikation auf juristischer Ebene nicht mit dem in der Einrichtung verfolgten pädagogischen Konzept einer vertrauensvollen Erziehungspartnerschaft in Einklang zu bringen sei. Wenn die Kindertagesstätte sich vor diesem Hintergrund entscheide, das Vertragsverhältnis zu beenden, sei das jedenfalls nicht willkürlich.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch
§ 307 Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) ...
§ 242 Leistung nach Treu und Glauben
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Landgericht Koblenz, Justizmedienstelle
Koblenz im Dezember 2022
Philipp Wiesmann
Richter am Amtsgericht
Landgericht Koblenz – Urteil vom 14.10.2022 – 9 O 140/21
(nicht rechtskräftig)
Muss eine Pferdehalterin einer Radfahrerin ein Schmerzensgeld zahlen, wenn diese von dem Tier vom Rad geschubst wird und sich dabei verletzt? Diese Frage hatte das Landgericht Koblenz zu entscheiden.
Der Sachverhalt:
Im Mai 2021 unternahm die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann in der Nähe des Laacher Sees eine Radtour. Auf dem Weg kamen ihr zwei Reiterinnen entgegen. Als sie an dem zweiten Pferd vorbeifahren wollte, stürzte sie. Dabei zog sie sich diverse Prellungen und einen Trümmerbruch der rechten Schulter zu. Sie kam für mehr als eine Woche ins Krankenhaus und wurde operiert.
Im Prozess behauptete die Klägerin, das Pferd habe sie mit dem Hinterteil vom Rad geschubst. Deshalb verlangte sie nun von der beklagten Pferdehalterin ein angemessenes Schmerzensgeld und die Erstattung ihrer Behandlungs- und Anwaltskosten.
Die Beklagte verweigerte die Zahlung. Sie behauptete, die Klägerin sei gestürzt, weil sie unachtsam gebremst habe. Zu einem Kontakt zwischen der Klägerin und dem Pferd sei es gar nicht gekommen.
Die Entscheidung:
Das Gericht hat die Pferdehalterin zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 6.000,-- € verurteilt. Nach einer Vernehmung der Klägerin, ihres Mannes und der beiden Reiterinnen zeigte sich der Richter überzeugt, dass das Pferd sein Hinterteil in Richtung der gerade vorbeifahrenden Klägerin drehte und sie so vom Rad stieß. Wenn aber ein Tier einen Menschen verletze, müsse der Tierhalter den daraus entstehenden Schaden ersetzen. Letztlich – so das Gericht weiter – komme es nicht einmal darauf an, ob es tatsächlich zu einer Berührung zwischen dem Pferd und der Radlerin gekommen sei. Auch wenn die Klägerin gebremst habe und sie dabei gestürzt sei, weil das Tier ihr plötzlich mit dem Hinterteil den Weg versperrt habe, habe sich dadurch „die Tiergefahr realisiert“. Ein Mitverschulden der Klägerin sah das Gericht nicht.
Angesichts der erheblichen Verletzung an der Schulter mit einer dauerhaften Bewegungseinschränkung hielt der Richter ein Schmerzensgeld von 6.000,-- € für angemessen. Auch die Arzt- und Anwaltskosten muss die Beklagte nun übernehmen.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch:
§ 833 Haftung des Tierhalters
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Justizmedienstelle des Landgerichts
Koblenz im November 2022
LG Koblenz – Urteil vom 31.08.2022 – 4 O 101/22
(nicht rechtskräftig)
Muss ein Reiseveranstalter Gutscheincodes einlösen, die ein Betrüger bei ihm erschlichen und dann an ahnungslose Personen weiterverkauft hat? Diese Frage hatte das Landgericht Koblenz zu entscheiden.
Zum Sachverhalt:
Die Kläger kauften über ein Kleinanzeigenportal im Internet von einer unbekannten Person insgesamt 77 Reisegutscheine im Wert von insgesamt 11.673,-- €. Nach Bezahlung schickte ihnen der Verkäufer von der Beklagten ausgegebene Gutscheincodes zu, die über eine Internetplattform der Beklagten eingelöst werden sollten.
Der Verkäufer hatte sich die Gutscheincodes aber selbst erschlichen. Er hatte nämlich beim Kauf gegenüber der Beklagten die Namen und Kontonummern nichtsahnender Dritter angegeben. Die Beklagte hatte die Gutscheincodes sofort herausgegeben und die Kaufpreise von den Konten eingezogen. Als die Kontoinhaber dem Geldeinzug widersprachen, sperrte die Beklagte die Gutscheincodes. Für die Kläger, die die Codes inzwischen gekauft hatten, wurden sie dadurch wertlos.
Die Kläger verlangten nun von der Beklagten, ihnen die gesperrten Gutscheine wieder zur Verfügung zu stellen. Sie meinten, die Beklagte habe die Betrugsmasche, der die Kläger zum Opfer gefallen seien, gekannt. Da sie trotzdem an dem Online-Vertrieb mit Lastschriftverfahren festgehalten habe, sei sie auch für den Schaden verantwortlich.
Die Beklagte lehnte das ab. Sie sah bei sich keine Verantwortung für das betrügerische Verhalten des unbekannten Täters.
Die Entscheidung:
Das Gericht hat die Klage abgewiesen.
Eine Verpflichtung – so das Gericht – treffe die Beklagte gegenüber den Klägern nicht. Der unbekannt gebliebene Täter habe nämlich keinen vertraglichen Anspruch gegenüber der Beklagten erworben, den er an die Kläger hätte weitergeben können. Weil der Betrüger gegenüber der Beklagten unter falschem Namen und mit einer ihm nicht zustehenden Kontoverbindung aufgetreten sei, habe ein Vertrag nicht wirksam zustande kommen können. Er habe daher gar kein Anrecht gehabt, das er an die Kläger wirksam hätte verkaufen können. Zwischen den Klägern und der Beklagten gebe es also keinerlei vertragliche Verpflichtungen, gegen die die Beklagte verstoßen haben könnte.
Das Gericht erklärte weiter, für die Betrügereien des unbekannten Täters sei die Beklagte nicht verantwortlich. Denn sie habe ja nicht mit dem Täter zusammengearbeitet und sei sogar selbst Opfer geworden. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, auf das Lastschriftverfahren zu verzichten, nur weil dies von anderen ausgenutzt werden könne.
Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch:
§ 177 Vertragsschluss durch Vertreter ohne Vertretungsmacht
(1) Schließt jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab.
(2) ...
§ 823 Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Auszug aus dem Strafgesetzbuch:
§ 263 Betrug
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) ...
Landgericht Koblenz, Justizmedienstelle
Koblenz im Oktober 2022
LG Koblenz – Urteil vom 05.08.2022 – 5 O 187/21
(nicht rechtskräftig)
Muss eine Stadt Schadensersatz leisten, wenn ein Autofahrer bei Dunkelheit mit einem zur Verkehrsberuhigung in einer Spielstraße aufgestellten Blumenkübel kollidiert? Diese Frage hatte das Landgericht Koblenz zu entscheiden.
Zum Sachverhalt:
Im November 2020 besuchte der Kläger seine Tochter, die in einer Spielstraße der Stadt M. in der Vordereifel wohnt. Zur Verkehrsberuhigung hatte die Stadt dort zwei anthrazitfarbene Blumenkübel aufgestellt. Eine besondere Markierung oder Kennzeichnung wiesen die Pflanztröge nicht auf.
Als der Kläger abends gegen 18:00 Uhr in die Straße einbog, übersah er den in Fahrtrichtung rechts aufgestellten Blumenkübel und kollidierte mit ihm. An seinem Auto entstand ein Schaden in Höhe von 1.339,63 €.
Der Kläger verlangte nun von der Stadt M. den Ersatz des Schadens. Im Prozess trug er vor, an jenem Abend sei es dunkel, regnerisch und neblig gewesen. Die Blumenkübel seien von der Stadt nicht ausreichend gekennzeichnet worden, so dass er sie trotz äußerst langsamer Fahrweise nicht habe erkennen können. Die beklagte Stadt habe auch nichts unternommen, nachdem es in der Vergangenheit schon mehrfach zu Unfällen gekommen sei. Der Kläger meinte daher, nicht er, sondern die Beklagte sei für den Schaden verantwortlich.
Die Stadt verweigerte die Zahlung. Sie vertrat im Gerichtsverfahren die Auffassung, der Kläger müsse für die Folgen seiner eigenen Unachtsamkeit selbst aufkommen.
Die Entscheidung:
Das Gericht hat die Klage abgewiesen.
Zwar habe der Stadt die Sicherung des Verkehrs in der Straße oblegen. Die Begrenzung einer verkehrsberuhigten Straße durch Blumenkübel sei aber zulässig. Der Kläger – so das Gericht weiter – sei in jedem Fall ganz überwiegend selbst an dem Unfall schuld. Ihm sei nämlich von früheren Besuchen bei seiner Tochter bekannt gewesen, dass in der Straße Blumenkübel aufgestellt waren. Bei Dunkelheit habe er nur so schnell fahren dürfen, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke hätte anhalten können. Außerdem habe er in dem verkehrsberuhigten Bereich ohnehin nur Schritttempo fahren dürfen. Einen Fahrer, der bei Dunkelheit auf ein unbeleuchtetes unbewegtes Hindernis auffahre, treffe regelmäßig ein Verschulden.
Unter diesen Umständen sei dem Kläger ein derart schwerwiegender Verkehrsverstoß unterlaufen, dass es auf die Frage, ob die Blumenkübel ausreichend gekennzeichnet waren, nicht mehr ankomme.
Auszug aus dem bürgerlichen Gesetzbuch:
§ 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) ...
§ 254 Mitverschulden
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) ...
Auszug aus der Straßenverkehrsordnung:
§ 3 Geschwindigkeit
(1) Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Beträgt die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m, darf nicht schneller als 50 km/h gefahren werden, wenn nicht eine geringere Geschwindigkeit geboten ist. Es darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Auf Fahrbahnen, die so schmal sind, dass dort entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten, muss jedoch so langsam gefahren werden, dass mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke gehalten werden kann.
(2) ...
Justizmedienstelle des Landgerichts Koblenz
Koblenz im September 2022
gez. Wiesmann
Richter am Amtsgericht