Zivilverfahren
Gerichtsverhandlungen finden grundsätzlich in öffentlicher Verhandlung statt. Sie haben daher als Bürger/in die Möglichkeit, als Zuschauer an einem öffentlichen Gerichtstermin teilzunehmen.
Die aktuellen Verhandlungstermine entnehmen Sie bitte der im Eingangsbereich des Landgerichtsgebäudes befindlichen Aushangtafel.
Gerne steht Ihnen die Justizmedienstelle für Nachfragen zu Verhandlungsterminen zur Verfügung.
Entscheidungen des Monats
Landgericht Koblenz – Beschluss vom 17.09.2024 – Aktenzeichen 11 O 12/24
(rechtskräftig)
Besteht gegen eine konkurrierende Firma im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ein Anspruch auf Unterlassung der Abwerbung von Mitarbeitern? Diese Frage hatte die 11. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.
Zum Sachverhalt:
Bei der Antragstellerin und der Antragsgegnerin handelt es sich jeweils um Firmen, die u.a. stationäre Brandschutzsysteme vertreiben und auf diesem Markt sowohl um Kunden als auch um Mitarbeiter konkurrieren. Etwa 25 Mitarbeiter, die derzeit oder bis vor Kurzem noch bei der Antragsgegnerin beschäftigt sind bzw. waren, hatten sich ursprünglich entschlossen, zu der Antragstellerin zu wechseln und mit dieser bereits Anstellungsverträge geschlossen. In der Folgezeit erklärten jedoch mehrere dieser zunächst wechselwilligen Mitarbeiter jeweils eine gleichlautende Kündigung dieser Anstellungsverträge und nahmen ihre Arbeit bei der Antragstellerin nicht auf.
Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass die Antragsgegnerin zur Verhinderung des Verlusts ihrer Mitarbeiter und zur Schädigung der Antragstellerin die wechselwilligen Mitarbeiter dazu verleitet habe, die mit der Antragstellerin geschlossenen Anstellungsverträge zu verletzen. Die Antragsgegnerin sei für die identischen und kurz vor Arbeitsbeginn erklärten Kündigungen sowie für den darauffolgenden Nichtantritt der Arbeitsstelle verantwortlich. Es handele sich um ein konzertiertes und koordiniertes Vorgehen durch die Antragsgegnerin. Sie stelle den wechselwilligen Mitarbeitern kostenfreie Rechtsberatung durch einen externen Anwalt zur Verfügung. Schließlich habe die Antragsgegnerin den wechselwilligen Mitarbeitern eine Prämienzahlung in Höhe von 2.000-3.000 € versprochen, wenn sie von dem Wechsel Abstand nehmen würden. Durch die Kündigungen und das Nichterscheinen der ursprünglich wechselwilligen Mitarbeiter sei es zu erheblichen Störungen im Betriebsablauf der Antragstellerin gekommen.
Die Antragstellerin beantragte sinngemäß den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der es der Antragsgegnerin untersagt werden sollte, aktuelle oder ehemalige Mitarbeiter der Antragsgegnerin, die ihr neues Anstellungsverhältnis bei der Antragstellerin gekündigt oder nicht angetreten haben, einstweilig für die Dauer von sechs Monaten, hilfsweise kürzer, einzustellen oder weiter zu beschäftigen. Zudem sollte der Antragsgegnerin sinngemäß untersagt werden, ihre ehemaligen oder aktuellen Mitarbeiter dazu zu veranlassen, ihr Anstellungsverhältnis bei der Antragstellerin zu kündigen oder nicht anzutreten, eine Prämie für den Fall auszuloben, dass ihre aktuellen oder ehemaligen Mitarbeiter nicht zu der Antragstellerin wechseln sowie den Mitarbeitern unentgeltlich Rechtsrat durch einen Anwalt in Bezug auf die Möglichkeiten einer Beendigung ihres Anstellungsvertrages bei der Antragstellerin zur Verfügung zu stellen.
Die Entscheidung:
Die 11. Zivilkammer hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, weil weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund vorliege. Die Antragstellerin habe gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Unterlassung gemäß § 8 Abs. 1 UWG i. V. m. §§ 4, 4a UWG. Es liege keine unzulässige geschäftliche Handlung vor, weil die Antragsgegnerin mangels gezielter Behinderung der Antragstellerin nicht unlauter gemäß § 4 Nr. 4 UWG gehandelt habe.
Das Abwerben und auch das Rückabwerben von Mitarbeitern eines Unternehmers, gleichgültig, ob er auf dem Absatzmarkt Mitbewerber ist oder nicht, sei grundsätzlich erlaubt. Es müssten daher zur Begründung der Unlauterkeit besondere Umstände vorliegen. Solche besonderen Umstände seien gegeben, wenn der konkurrierende Unternehmer mit der Abwerbung einen verwerflichen Zweck verfolge oder bei der Abwerbung selbst verwerfliche Mittel oder Methoden anwende. Ein verwerflicher Zweck werde beispielsweise verfolgt, wenn der Abwerber nicht sein eigenes unternehmerisches Fortkommen bezwecke, sondern primär die wirtschaftliche Entfaltung des Konkurrenten behindert werden soll. Es sei auch unlauter, einen Mitarbeiter abzuwerben, indem man ihn zum Vertragsbruch verleite. Es sei hingegen zulässig, dem Arbeitnehmer bei einer rechtmäßigen Kündigung helfend zur Seite zu stehen. Ebenso dürfe das Kündigungsschreiben vom neuen Arbeitgeber übermittelt oder für eine rechtmäßige Kündigung eine Prämie ausgelobt werden.
Vorliegend sei eine Behinderungsabsicht der Antragsgegnerin nicht ersichtlich. Die wechselwilligen Mitarbeiter wären zuvor bei ihr tätig gewesen, sodass sie ein erhebliches Eigeninteresse an der Weiterbeschäftigung dieser Mitarbeiter habe und diese benötige.
Soweit sich die Antragstellerin darauf berufe, dass die Antragsgegnerin die wechselwilligen Mitarbeiter zur Verletzung zum Vertragsbruch verleite, sei dies von der Antragstellerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Allein aus dem Umstand, dass die Kündigungen in Wortlaut, Aufbau und Form identisch seien, folge nicht, dass diese von der Antragsgegnerin herrühren. Ein dahingehendes konzertiertes und koordiniertes Vorgehen durch die Antragsgegnerin sei weder dargelegt noch bewiesen.
Auch die im Rahmen einer Betriebsversammlung angekündigte Prämienzahlung stelle keine unzulässige Handlung dar, weil diese allen Mitarbeitern und nicht nur den wechselwilligen Mitarbeitern zu Gute kommen sollte. Dass den anderen wechselwilligen Mitarbeitern eine erhöhte Prämienzahlung außerhalb der Betriebsversammlung angeboten worden ist, sei hingegen nicht ersichtlich.
Auch sofern die Lösung des Vertrags durch die wechselwilligen Mitarbeiter einen Vertragsbruch darstellen würde, sei dies allein die Entscheidung des Beschäftigten. Im Falle der Vertragsverletzung könne der Arbeitgeber gegen ihn vorgehen. Eine unlautere Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit der wechselwilligen Mitarbeiter durch eine - als wahr unterstellte - Hilfe bei der Fertigung der Kündigung oder die - vermeintliche - Auszahlung einer Prämie sei nicht gegeben. Unlauterkeit liege nur bei Druck, unangemessenem Einfluss oder Irreführung des Arbeitnehmers vor.
Abschließend liege auch kein Verfügungsgrund vor. Die Vermutung der Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 1 UWG sei widerlegt. Die Antragstellerin habe durch ihr eigenes Verhalten, insbesondere das Zuwarten mit der Antragstellung (zwischen der ersten Kündigung eines ursprünglich wechselwilligen Mitarbeiters und der Antragstellung lagen drei Monate), die erforderliche Dringlichkeit selbst widerlegt.
Landgericht Koblenz – Urteil vom 07.08.2024 – 15 O 399/22
(rechtskräftig)
Besteht ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Foul im Rahmen eines Fußballspiels? Diese Frage hatte die 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.
Der Sachverhalt:
Die Parteien nahmen als Feldspieler für unterschiedliche Mannschaften im Jahr 2019 an einem Fußballturnier teil. Während eines Spiels der beiden Mannschaften kam es zu einem Foul des Beklagten gegen den Kläger. Hierbei traf der Beklagte den Kläger an dessen rechtem Sprunggelenk, wobei der konkrete Ablauf zwischen den Parteien streitig war. Der Schiedsrichter entschied zwar auf Foul, sah aber von weiteren Maßnahmen, z.B. einer gelben oder roten Karte, ab.
Der Kläger behauptete im Verfahren, dass der Beklagte schon vor dem Spiel darüber verärgert gewesen sei, dass der Kläger während des Turniers für zwei unterschiedliche Mannschaften gespielt habe. Der Beklagte habe nach einer erfolglosen Beschwerde vor Beginn des streitgegenständlichen Spiels sinngemäß angekündigt, dass er dies „dann selbst regeln müsse“. Aus der Mannschaft des Beklagten sei bezogen auf die Mannschaft des Klägers auch der Satz gefallen: „Die hauen wir gleich um.“
Der Beklagte sei während des Spiels, ohne die Chance, an den Ball zu kommen, mit gestreckten Bein gegen das Sprunggelenk des Klägers gesprungen. Hierbei habe er es darauf angelegt, den Kläger zu treffen. Der Kläger habe durch das Foul einen Bruch des Wadenbeins, einen Bänderriss und eine Kapselverletzung am oberen Sprunggelenk seines rechten Fußes erlitten. Aufgrund der Verletzungen sei er insgesamt dreimal operiert worden und leide bis heute unter den Folgen der Verletzung und könne Kontaktsportarten nicht mehr und sonstige Belastungen, wie etwa Joggen, nur mit Schmerzen und nur eingeschränkt ausführen.
Der Kläger beantragte daher u.a., den Beklagten zur Zahlung von 10.000 € Schmerzensgeld und zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 214,54 € (Eigenanteile für die Behandlungen) zu verurteilen. Zudem beantragte er die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, alle weiteren aus dem Vorfall resultierenden Schäden zu ersetzen.
Der Beklagte beantragte die Klage abzuweisen.
Er behauptete, dass es ihm nicht darum gegangen sei, den Kläger zu verletzen. Es habe sich um einen normalen Zweikampf gehandelt und er habe lediglich unglücklich und unabsichtlich das Bein des Klägers getroffen.
Die Entscheidung:
Die 15. Zivilkammer hat die Klage abgewiesen. Es bestehe weder einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB noch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 223 StGB.
Die Haftung eines Sportlers aus § 823 BGB setze den Nachweis voraus, dass dieser schuldhaft gegen die Regeln des sportlichen Wettkampfs verstoßen und dabei einen anderen verletzt habe. Ein objektiver Regelverstoß - wie vorliegend das harte Treffen des Klägers mit dem Fuß am Sprunggelenk durch den Beklagten, ohne dass dabei der Ball getroffen worden wäre - indiziere allerdings nicht automatisch ein schuldhaftes Verhalten. Die Eigenart des Fußballspiels als Kampfspiel fordere vom einzelnen Spieler oft Entscheidungen und Handlungen, bei denen er schnell Chancen abwägen und Risiken eingehen müsse, um dem Spielzweck erfolgreich Rechnung zu tragen, was im Rahmen des Schuldvorwurfes berücksichtigt werden müsse. Ein Schuldvorwurf sei daher nur berechtigt, wenn die durch den Spielzweck gebotene bzw. noch gerechtfertigte Härte die Grenze zur Unfairness überschreite. Solange sich das Verhalten des Spielers noch im Grenzbereich zwischen kampfbetonter Härte und unzulässiger Unfairness bewege, sei ein Verschulden trotz objektiven Regelverstoßes nicht gegeben. Bei Wettkämpfen mit beachtlichem Gefahrenpotential - wie dem Fußballspiel -, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Regeln oder geringfügigen Regelverletzungen die Gefahr gegenseitiger Schädigung bestehe, sei insofern davon auszugehen, dass jeder Teilnehmer diejenigen Verletzungen selbst mit schwersten Folgen in Kauf nehme, die auch bei Ausübung nach den anerkannten Regeln der jeweiligen Sportart nicht zu vermeiden seien. Eine Haftung des Beklagten komme daher nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Regelwidrigkeit oder beim Überschreiten der Grenze zwischen noch gerechtfertigter Härte und unfairem Regelverstoß in Betracht.
Die Kammer hat zum Hergang des Vorfalls Beweis durch die Vernehmung von Zeugen, die bei dem Fußballspiel anwesend waren, sowie durch Anhörung der Parteien erhoben. Hierbei kam es zu unterschiedlichen Darstellungen des Vorfalls. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass der erforderliche unfaire Regelverstoß nicht nachgewiesen worden sei. Insbesondere stehe nicht fest, dass es ein grobes unentschuldbares Foul gegeben habe, was zu Lasten des beweisbelasteten Klägers gehe. Auch die Schwere der Verletzung lasse keinen generellen Rückschluss auf ein grob fahrlässiges Einsteigen des Beklagten zu. Zudem habe auch der Schiedsrichter keine weitere Strafe für das Foul vergeben, was ein Anhaltspunkt dafür sei, dass kein grob von der Norm abweichendes regelwidriges Foul vorgelegen habe.
Auszug aus dem BGB:
§ 823 BGB
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
LG Koblenz – Urteil vom 18.07.2024 – 5 O 53/18
(nicht rechtskräftig)
Haben Anwohner gegen die Betreiberin eines Windparks und gegen die Gemeinde, die die Fläche, auf der sich der Windpark befindet, verpachtet, Ansprüche wegen vermeintlich störender Immissionen (Reduzierung von Schall und Licht, Schadensersatz, Schmerzensgeld)? Diese Frage hatte die 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.
Sachverhalt:
Die Kläger sind Eigentümer und Bewohner einer Immobilie, die sich in ca. 1,4 km Luftdistanz zum nächst gelegenen Windrad des von der Beklagten zu 2. betriebenen Windparks befindet. Die Beklagte zu 2. hat die Fläche, auf der sich der Windpark befindet, von der Beklagten zu 1. (Ortsgemeinde) gepachtet.
Die Kläger behaupteten, dass von den Windenergieanlagen schädliche Umwelteinwirkungen und unzumutbare Beeinträchtigungen hinsichtlich ihres Eigentums ausgehen würden. Der von der TA-Lärm vorgesehene Lärmwert werde nachts im Bereich ihrer Immobilie überschritten. Zudem trete noch im Bereich ihrer Immobilie von den Windenergieanlagen emittierter Infraschall unterhalb von 8 Hz auf, der als Erschütterung wahrnehmbar sei, in die Innenräume gelange und dort zu verstärkten Schalldruckwerten, Brummgeräuschen sowie Schwingungen führe. Hierauf seien wiederum vermehrter Stress, Beeinträchtigungen des Schlafes und sogar Gesundheitsschäden der Kläger zurückzuführen. Eine weitere Eigentumsbeeinträchtigung gehe von dem nachts durch den Windpark hell erleuchteten Himmel aus.
Die Kläger beantragten, die Beklagte zu 2. zu verurteilen, die durch den Betrieb der Windkraftanlagen verursachten benachteiligenden Wirkungen in den Ruhzeiten von 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr sowie in den Ruhezeiten von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr dadurch auszuschließen, dass die Anlagen in den benannten Zeiten abgeschaltet werden und dass ausschließlich in den Fällen, in denen sich bei Dunkelheit tatsächlich Flugzeuge nähern, eine Nachtbeleuchtung der Windkraftanlagen erfolgt. Für den Fall, dass dies technisch oder wirtschaftlich nicht möglich sein sollte und dass auch die Störungen nicht anderweitig beseitigt werden können, forderten sie einen Schadensersatz in Höhe von mindestens 10.000 € von den Beklagten als Gesamtschuldner.
Zudem forderten die Kläger für den von ihnen behaupteten Wertverlust ihrer Immobilie von den Beklagten als Gesamtschuldner einen Schadensersatz in Höhe von 21.000 € sowie Schmerzensgeld für die bisher erlittenen Beeinträchtigungen in Höhe von insgesamt 25.500 (17.500 € für den Kläger zu 1. und 8.000 € für die Klägerin zu 2.).
Die Beklagten beantragten Klageabweisung und behaupteten, dass der auf das Grundstück der Kläger einwirkende Schall deutlich unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte liege. Nachts sei lediglich ein kurzes Aufblinken der Warnleuchten wahrnehmbar, das jedoch nicht belästigend sei. Etwaige Ansprüche der Kläger seien zudem bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Kläger die Genehmigung – was unstreitig war – nicht angefochten haben. Die Beklagte zu 1. könne als bloße Verpächterin ohnehin nicht verantwortliche Störerin und Schädigerin sein.
Die Entscheidung:
Die 5. Zivilkammer hat die Klage abgewiesen. Sie ist hierbei davon ausgegangen, dass keine wesentlichen Beeinträchtigungen des Eigentums der Kläger im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB vorliegen.
Ein gerichtlich in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten habe ergeben, dass die in der TA-Lärm aufgeführten Grenzwerte von 55 dB(A) tagsüber bzw. 40 dB(A) nachts nicht überschritten werden. Der Sachverständige habe hierbei Langzeitmessungen zu mehreren unterschiedlichen Zeiten und unter unterschiedlichen Windbedingungen durchgeführt. Ausweislich des Gutachtens seien die von dem Windpark ausgehenden Geräusche auch nicht als impulshaltig anzusehen, so dass auch auf die gemessenen Lärmwerte kein Zuschlag erfolgen müsse. Dieses Ergebnis decke sich nach Ansicht des Gerichts auch mit dem ursprünglich im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eingeholten Immissionsgutachten.
Die durchgeführten Messungen hätten auch keine Überschreitung der Grenzwerte tieffrequenter, akustisch nicht wahrnehmbarer Geräuschemissionen (Infraschall) ergeben. Zudem seien die in der Immobilie der Kläger messbaren tieftonalen Geräusche im gleichen Umfange messbar, wenn die Windenergieanlagen abgeschaltet waren, was eigens zur Überprüfung veranlasst wurde.
Die Beleuchtung der Windenergieanlagen sei nach Auffassung der Kammer von den Klägern hinzunehmen, weil diese zum einen unstreitig dem Stand der Technik entspreche und zum anderen erforderlich sei, um Kollisionen, insbesondere mit Luftfahrzeugen, zu vermeiden. Eine wesentliche Einwirkung auf das Eigentum der Kläger ergebe sich hieraus nicht.
Auch wenn die einzelnen Immissionen jeweils für sich alleine betrachtet keine wesentlichen Einwirkungen auf das Eigentum der Kläger ergeben haben, wurde durch die Kammer sodann noch geprüft, ob eine relevante Wechselwirkung aller Immissionen im Wege einer Gesamtschau zu einer wesentlichen Beeinträchtigung führe und dies verneint. Insbesondere sei eine von den Klägern behauptete angeblich besonders erdrückende Wirkung bis hin zu einer „Gefängnishofsituation“ bereits angesichts der Entfernung zwischen den Windkraftanlagen und dem Grundstück der Kläger auszuschließen. Die Windräder seien zwar aus allen Perspektiven am Horizont gut sichtbar, führten jedoch nicht zu einer „Abriegelung“ der Wohnbebauung. Es könne dementsprechend dahinstehen, inwieweit das Rücksichtnahmegebot des öffentlichen Baurechts überhaupt zu berücksichtigen sei.
Da keine wesentlichen Beeinträchtigungen durch den Windpark festzustellen seien, seien somit auch die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld unbegründet.
Hinsichtlich der Beklagten zu 1. komme noch hinzu, dass diese den Windpark nicht selbst betreibe, sie der Beklagten zu 2. die Errichtung und den Betrieb der Anlagen lediglich im Rahmen der pachtweisen Überlassung gestattet habe und dementsprechend grundsätzlich darauf vertrauen dürfe, dass der Betrieb durch die Beklagte zu 2. derart ausgestaltet ist, dass eine Verletzung der Rechtsgüter Dritter ausgeschlossen ist. Eine zumindest fahrlässige Mitverursachung einer Eigentums- oder Gesundheitsverletzung der Kläger i. S. d. § 823 I BGB durch die bloße Verpachtung der für den Windpark genutzten Flächen oder ein anschließendes Unterlassen sei jedenfalls ausgeschlossen, solange keine Anhaltspunkte für etwaige Rechtsverletzungen bestehen.
LG Koblenz – Urteil vom 29.05.2024 – 3 O 46/23
(nicht rechtskräftig)
Hat ein Arzt gegen den Betreiber eines Online-Portals einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Veröffentlichung einer von einem Dritten abgegebenen negativen Bewertung seiner Praxis? Diese Frage hatte die 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.
Zum Sachverhalt:
Bei dem Kläger handelt es sich um einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit einer von ihm betriebenen Arztpraxis. Die Beklagte betreibt ein Internet-Portal, in dem Patienten nach Ärzten suchen und diese bewerten sowie Ärzte sich selbst präsentieren können.
Auf der Internetseite der Beklagten wurde eine mit nur einem Stern benotete Bewertung eines anonymen Verfassers veröffentlicht. Dem Kläger wurde in der Bewertung u.a. vorgeworfen, keine Interessen an den Beschwerden des Verfassers gehabt und innerhalb weniger Minuten ein MRT für notwendig befunden zu haben, ohne sich für die beim Verfasser vorhandene Klaustrophobie zu interessieren. Der Kläger habe auch nicht nach Aufnahmen der letzten zwei Jahren gefragt. Der Kläger forderte daraufhin die Beklagte dazu auf, die Bewertung von ihrem Portal zu entfernen. Die Beklagte hörte hierzu den bei ihr nur mit einer E-Mail-Adresse registrierten Verfasser der Bewertung an und lehnte danach die Entfernung der Bewertung ab.
In dem vorliegenden Verfahren beantragte der Kläger sodann, die Beklagte zu verurteilen, eine Veröffentlichung der oben dargestellten Bewertung auf ihrem Portal zu unterlassen. Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.
Streitig zwischen den Parteien war, ob es überhaupt einen Patientenkontakt gegeben habe, bzw. ob der Kläger in der Lage war einen entsprechenden Patientenkontakt zuzuordnen oder ob es an entsprechenden Anhaltspunkten sowohl in der Bewertung selbst als auch im Vortrag der Beklagten fehlte.
Der Kläger war zudem der Meinung, dass die abgegebene Bewertung gegen sein Persönlichkeitsrecht verstoße und er daher gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung habe. Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass kein Unterlassungsanspruch bestehe, weil sie keiner Störerhaftung unterliege. Sie habe weder Prüfpflichten verletzt noch in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen.
Die Entscheidung:
Die 3. Zivilkammer hat die Klage abgewiesen. Hostprovider wie die Beklagte könnten zwar grundsätzlich als Störer auf Unterlassung bzw. Beseitigung gem. § 1044 Abs. 1 BGB analog haften, weil diese eine Plattform zur Verfügung stellen, auf der anonyme Bewertungen abgegeben werden können. Wer - ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beitrage, könne als mittelbarer Störer für die Unterlassung einer Schutzrechtsverletzung in Anspruch genommen werden. Die Haftung als mittelbarer Störer dürfe aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setze deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimme sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten sei.
Da die Beklagte unstreitig auf die Beschwerde des Klägers ein Überprüfungsverfahren eingeleitet, eine Stellungnahme durch den Verfasser der Bewertung eingeholt und diese der Klägerin zur Stellungnahme weitergeleitet habe, habe sie ihre Prüfpflicht nicht verletzt.
Soweit der Kläger behauptete, dass überhaupt kein Patientenkontakt zwischen ihm und dem Verfasser der Bewertung stattgefunden habe und die Beklagte bereits deshalb ihre Prüfpflicht verletzt habe, vermochte dies die Kammer nicht zu überzeugen. Zwar komme grundsätzlich eine Verletzung des Klägers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Betracht, wenn der in der angegriffenen Äußerung enthaltene tatsächliche Bestandteil unrichtig gewesen sei und dem Werturteil damit jegliche Tatsachengrundlage fehle. Darlegungs- und beweisbelastet für das Fehlen eines Behandlungskontakts sei jedoch insoweit der Kläger. Die Beklagte treffe hinsichtlich des Behandlungskontakts lediglich eine sekundäre Darlegungslast.
Dieser sekundären Darlegungslast sei die Beklagte hinreichend nachgekommen. Die Beklagte habe sowohl eine Stellungnahme des Verfassers der Bewertung angefordert, als auch einen ungefähren Behandlungszeitraum angegeben. Weiter habe die Beklagte ausreichend ermittelt, dass beim Verfasser der Bewertung keine weiteren Unterlagen mehr zu der Behandlung existieren. Es sei nicht ersichtlich welche weiteren Nachforschungen die Beklagte hätte anstellen können, um unter Wahrung der Anonymität des Verfassers der Bewertung den Sachverhalt weiter aufzuklären.
Das Vorbringen des Klägers, dass kein Patientenkontakt stattgefunden habe, sei hingegen bereits unsubstantiiert. Dieses beschränke sich im Wesentlichen darauf, dass es an Hand der Stellungnahmen und der Bewertung weder dem Kläger, noch dem Praxisteam möglich sei, die Beschwerden und das Vorbringen einem konkreten Patientenkontakt zuzuordnen. Hinsichtlich des Inhalts der Bewertung sei bereits nach dem Klagevortag nicht ersichtlich, dass die in der Bewertung geäußerten Tatsachen nicht der Wahrheit entsprechen. Es könne daher auch diesbezüglich keine Pflichtverletzung der Beklagten festgestellt werden.
Landgericht Koblenz – Beschluss vom 04.03.2024 – 14 O 784/23
(rechtskräftig)
Steht einem Bundesminister, der unter einem Video auf Facebook in den dortigen Kommentaren als „Drecksack“ bezeichnet wurde, ein Unterlassungsanspruch und ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu? Diese Frage hatte die 14. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.
Der Sachverhalt:
Bei dem Kläger handelt es sich um den Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir.
Am 29.04.2022 kommentierte der Beklagte über sein Facebook-Profil ein vom Kläger am selben Tage veröffentlichtes und bis heute einsehbares Video mit dem Kommentar „Drecksack“. Daraufhin erstattete der Kläger unter dem 11.07.2022 Strafanzeige. Mit Verfügung vom 06.04.2023 stellte die Staatsanwaltschaft Koblenz das Verfahren gegen den Beklagten nach § 153a StPO gegen eine Geldauflage von 1.000,00 € vorläufig ein. Da der Beklagte die Geldauflage nicht zahlte, wurde das Strafverfahren vor dem Amtsgericht Altenkirchen (Az.: 9 Cs 2020 Js 3789/23) gegen den Beklagten geführt. Unter dem 15.08.2023 versandte der klägerische Prozessbevollmächtigte an den Beklagten im Auftrag des Klägers eine Abmahnung, mit der der Beklagte unter Fristsetzung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung der durch die Abmahnung entstandenen Rechtsverfolgungskosten aufgefordert wurde. Der Beklagte reagierte auf die Abmahnung nicht.
Mit seiner Klage beantragte der Kläger, dem Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu untersagen, über den Kläger zu äußern und/oder äußern zu lassen: „Drecksack“ sowie den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 600,00 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Abmahnkosten in Höhe von 800,39 € nebst Zinsen zu zahlen.
Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen und ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Er äußerte die Auffassung, dass nach einem Zeitraum von über 22 Monaten nach dem von dem Beklagten am 29.04.2022 verfassten Post keine Wiederholungsgefahr mehr bestehe. Der Post des Beklagten sei eine Reaktion auf ein Video des Klägers, in dem die bundesweiten Tafeln als zwingend erforderlich für die Versorgung der prekären Bevölkerung mit Nahrung dargestellt worden sein. Für den Beklagten sei es sonderbar, dass der Kläger nicht durch sein Ministerium die Grundlagen für eine ausreichende Lebensmittelversorgung dieser Bevölkerungsteile schaffe, sondern diese durch gemeinnützige Organisationen, wie beispielsweise die Tafeln, sicherstelle und dies als Erfolg seines Ministeriums deklariere. Der Post sei zwar unsachlich, stelle jedoch eine Reaktion auf ein Verhalten des Ministeriums des Klägers dar und lasse sich mithin durchaus als Meinungsäußerung einordnen.
Die Entscheidung:
Die 14. Zivilkammer hat zunächst den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg habe.
Es liege eine Meinungsäußerung des Beklagten vor. Diese sei ehrenrührig und verletze den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht.
Zwar stehe es dem Beklagten grundsätzlich im Rahmen seines Rechts auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG frei, sich auch in scharfer Form kritisch über den Kläger zu äußern. Die Meinungsfreiheit sei aber nicht vorbehaltlos, sondern nur in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG gewährleistet. Zu diesen gehöre das Recht der persönlichen Ehre und auf öffentliches Ansehen. Die Beurteilung, ob eine ehrbeeinträchtigende Äußerung rechtswidrig ist, sei in aller Regel von einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen abhängig, die eine umfassende und einzelfallbezogene Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen einer Äußerung und ihrer Bedeutung erfordere.
Im vorliegenden Fall überwiege das grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Klägers die ebenfalls grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit des Beklagten.
Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Äußerung des Beklagten in einem sozialen Netzwerk im Internet erfolgt sei und daher eine konkrete Breitenwirkung entfalte. Das geäußerte Schimpfwort habe keinen sachlichen Bezug zu dem Thema des Videos des Klägers oder einen konkreten nachvollziehbaren Anlass erkennen lassen, sondern habe nur zum Ziel gehabt, den Kläger zu diffamieren. Es handele sich daher lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen den Kläger und nicht um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung.
Zudem hat sich die Kammer bei der Abwägung ausführlich mit der Meinungsfreiheit auseinandergesetzt und hierbei berücksichtigt, dass nicht die Privatsphäre des Klägers betroffen sei, sondern das öffentliche Wirken des Klägers, der als Politiker bewusst in die Öffentlichkeit trete. Außerdem sei der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen und finde darin unverändert seine Bedeutung. Allerdings blieben auch die Gesichtspunkte der Machtkritik und der Veranlassung durch vorherige eigene Wortmeldungen im Rahmen der öffentlichen Debatte in eine Abwägung eingebunden und erlaubten nicht jede auch ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgern oder Politikern. Gegenüber einer auf die Person abzielenden, insbesondere öffentlichen Verächtlichmachung oder Hetze setze die Verfassung allen Personen gegenüber äußerungsrechtliche Grenzen und nehme hiervon Personen des öffentlichen Lebens und Amtsträger nicht aus. Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft könne nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet werde.
Die Kammer folgte auch nicht der Argumentation des Beklagten, dass nach einem Zeitraum von über 22 Monaten nach dem von dem Beklagten am 29.04.2022 verfassten Post keine Wiederholungsgefahr mehr bestehe. Nach ständiger Rechtsprechung begründe die begangene Rechtsverletzung eine Wiederholungsgefahr, die nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden könne.
Der vom Kläger angegebene Streitwert in Höhe von 7.600,00 € und das geforderte Schmerzensgeld in Höhe von 600,00 € wurde von der Kammer im Hinblick auf die Prominenz des Klägers einerseits und Art, Intensität und Umfang der Äußerung andererseits als zutreffend angesehen.
Die vom Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts erhobene sofortige Beschwerde wurde durch das OLG Koblenz zurückgewiesen. Das OLG Koblenz hat im Rahmen der Begründung auf die Ausführungen des Beschlusses des Landgerichts Bezug genommen und diese für zutreffend erachtet.
Der Beklagte hat daraufhin die Klage anerkannt und wurde entsprechend antragsgemäß durch Anerkenntnisurteil vom 25.05.2024 verurteilt.