Zivilverfahren
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Entscheidungen des Monats
LG Koblenz – Urteil vom 03.09.2025 – 10 O 368/23
(vereinfacht)
Kann ein Kläger Schmerzensgeld vom Beklagten wegen Abtrennung seiner Hand verlangen, wenn er zuvor bei diesem den Eindruck hervorgerufen hat, er werde in lebensbedrohlicher Weise vom Kläger angegriffen und müsse sich daher verteidigen?
Sachverhalt:
Der Kläger feierte am 08.08.2020 mit Freunden auf dem Gelände einer Grillhütte in der Nähe von Ochtendung eine Geburtstagsfeier. Dabei konsumierte er Alkohol. Der Kläger befuhr sodann bei Dämmerung mit seinem Pkw einen Wirtschaftsweg von der Grillhütte in den Wald hinein. Nach ca. 400 m vollzog der Kläger unter Schwierigkeiten ein Wendemanöver. In diesem Bereich grenzt ein Freizeitgrundstück der Familie des Beklagten an den Wirtschaftsweg. Auf diesem befand sich der Beklagte, der dabei war mit einer Machete Holz für ein Grillfeuer zu zerschlagen. Der Beklagte wurde auf den Kläger mit seinem Fahrzeug aufmerksam, da dieses einen platten Reifen hatte und bewegte sich auf dieses zu. Er wollte dem Kläger seine Hilfe anbieten und nachschauen, ob alles in Ordnung sei. Der Kläger wiederum nahm dieses Verhalten aus objektiv nicht nachvollziehbaren Gründen als aggressiv war, holte aus seinem Handschuhfach seine Schreckschusspistole heraus, lehnte sich aus der geöffneten Fahrertüre hinaus und schoss in schneller Folge dreimal nach hinten in Richtung des Beklagten. Der Beklagte warf sich daraufhin zu Boden und ging am Fahrzeugheck des klägerischen Fahrzeugs in Deckung. Sodann nährten sich die Zeugin X und der Zeuge Y mit ihrem PKW dem Geschehen und hielten mit der Front ihres Fahrzeuges vor der Front des klägerischen Fahrzeugs an. Als der Zeuge Y aus dem Fahrzeug ausstieg, stieg auch der Kläger aus dem Fahrzeug aus und begab sich an das Fahrzeugheck seines Fahrzeugs. Da der Beklagte bemerkte, dass der Kläger näher kam und davon ausging, dass der Kläger möglicherweise noch weitere Schüsse auf ihn abgeben würde bzw. sich ihm in feindlicher Absicht näherte, schlug er mehrmals in Richtung des Klägers mit der noch in seiner Hand befindlichen Machete. Dabei verletzte der Beklagte den Kläger mehrfach im Gesicht und schlug ihm letztlich die linke Hand ab. In einer Operation konnte die linke Hand des Klägers wieder angenäht werden.
Der Kläger beantragt unter anderem den Beklagten kostenpflichtig zu verurteilen, eine angemessene Schmerzensgeldentschädigung, welche ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, für den Fall der Säumnis jedoch einen Betrag i.H.v. 100.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils in Basiszinssatz seit dem 14.07.2022, nicht unterschreiten sollte, zu zahlen.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Die Entscheidung:
Die 10. Zivilkammer hat die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat keine Ansprüche gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 226 StGB. Denn der Beklagte hat sich bei seiner Handlung in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befunden, der für ihn aufgrund der konkreten Gesamtumstände des Falles auch nicht vermeidbar gewesen ist.
Durch seine Handlung gegenüber dem Kläger, hat sich der Beklagte zwar grundsätzlich schadensersatzpflichtig nach § 823 BGB gemacht. Sein Verhalten war auch nicht nach § 227 BGB gerechtfertigt, da es sich um keine objektive Notwehrlage gehandelt hat. Der Beklagte ist vielmehr irrig von einem Sachverhalt ausgegangen, bei dessen Vorliegen die Abwehr des Angriffs als Notwehr gerechtfertigt wäre. Bei dieser sogenannten Putativnotwehr befand sich der Beklagte in einem Erlaubnistatbestandsirrtum. Die irrige Annahme der Notwehrvoraussetzungen war für den Beklagten in der konkreten Situation allerdings unvermeidbar. Er handelte daher ohne Verschulden, weshalb ein Anspruch nach § 823 BGB letztlich nicht besteht.
Ein Verteidiger befindet sich dann in einem Erlaubnistatbestandsirrtum, wenn er glaubt, dass ein tatsächlich nicht vorliegender Angriff gegeben sei, oder annimmt, der Angriff sei rechtswidrig oder seine Verteidigung sei geeignet, erforderlich oder geboten. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Verteidiger irrig glaubt, einem Angriff nicht ausweichen zu können bzw. ihm ein milderes als das angewendete Abwehrmittel nicht zur Verfügung steht. Für den Beklagten war hier nicht erkennbar, dass es sich bei der Waffe des Klägers um eine Schreckschusswaffe gehandelt hat. Aus seiner Sicht wurde auf ihn dreimal mit einer Schusswaffe geschossen. Er wähnte sich daher unter scharfen Beschuss und ist dadurch nachvollziehbar in eine gewisse Paniksituation geraten. Der Beklagte ging daher in dieser konkreten Situation von einem gegenwärtigen, mithin noch andauernden rechtswidrigen Angriff des Klägers gegen sich aus. Seine Handlung mit der Machete stellte aus seiner Sicht die erforderliche, geeignete und gebotene Verteidigung gegen diesen vermeintlichen Angriff mit einer scharfen Schusswaffe dar. Der Beklagte musste realistischerweise befürchten, dass, nachdem bereits dreimal auf ihn geschossen worden war, der Kläger auch aus nächster Nähe auf ihn schießen würde, wenn er ihn am Fahrzeugheck erreicht hätte und dort entdecken würde. Da eine Flucht als einzige denkbare Handlungsalternative, dazu geführt hätte, dass der Beklagte bei Benutzung einer Schusswaffe durch den Kläger für diesen ein durchaus leicht erkennbares Ziel gewesen wäre, wenn er seine Deckung insoweit verlassen hätte oder hier vom Kläger entdeckt worden wäre, war daher aus Sicht des Beklagten der Versuch des Wegschlagens der Waffe das aus seiner Sicht mildeste, ihm zur Verfügung stehende Mittel, um zu versuchen, sich gegen den vermeintlichen Angriff des Klägers zur Wehr zu setzen.
Stets setzt ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 BGB ein Verschulden des Verteidigers voraus. Eine Haftung besteht nur dann, wenn gerade in Bezug auf die Überschreitung der Notwehrgrenzen beziehungsweise die irrige Annahme der Notwehrvoraussetzungen (zumindest) der Vorwurf einer fahrlässigen Fehleinschätzung begründet ist. Das ist am Maßstab der im Zivilrecht geltenden objektiven Fahrlässigkeit nach § 276 Abs. 1 S. 2 BGB zu prüfen. Irrt sich der Verteidiger ohne Verschulden über die Stärke des Angriffs und greift zu Abwehrmaßnahmen, die objektiv nicht erforderlich sind, haftet er dem Angreifer gegenüber nicht. Eine verschuldensunabhängige Haftung des Verteidigers analog § 231 BGB kommt nicht in Betracht. Die Anforderungen an die erforderliche Sorgfalt dürfen dabei aber nicht überspannt werden, weil das Risiko einer Abwehrhandlung zunächst einmal von dem (vermeintlichen) Angreifer geschaffen worden ist.
Wie bereits dargestellt, war für den Beklagten, aufgrund des unvermittelten Einsatzes der Waffe durch den Kläger aber nicht erkennbar, dass es sich um eine Schreckschusswaffe und nicht um eine scharfe Waffe gehandelt hatte. Das Geschehen ereignete sich in einem Waldstück und fand zu einer fortgeschrittenen Uhrzeit in den Abendstunden statt, verbunden mit einer bereits fortgeschrittenen Dunkelheit. Zum einen führte das für alle Beteiligten dazu, dass die Situation deutlich schwerer einzuschätzen und zu erkennen gewesen ist. Zum anderen führte all dies sicherlich auch noch zu einer gewissen Steigerung der Dramaturgie beziehungsweise der Stress- und Paniksituation. Bei der dann folgenden Annäherung des Klägers war es für den Beklagten in der konkreten Stress- und Paniksituation dann auch eine durchaus nachvollziehbare Reaktion, dass er sich mittels seiner Machete gegen einen befürchteten, eventuell weiteren Angriff des Klägers zur Wehr setzte, da auch aus dieser Situation heraus eine Fluchtmöglichkeit nicht zur Abwendung der Gefahr eines möglichen weiteren Einsatzes der Schusswaffe geeignet gewesen wäre.
Auszug aus dem Bürgerliches Gesetzbuch
§ 823 Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
…
§ 276 Verantwortlichkeit des Schuldners
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
LG Koblenz – Urteil vom 02.10.2025 – 4 O 305/22
(vereinfacht dargestellt, nicht rechtskräftig)
Haftet der Betreiber eines Offenstalls, wenn Pferde im spielerischen Kräftemessen Teile des Stalls beschädigen und sich dann an hervorstehenden Teilen verletzen? Diese Frage hatte das Landgericht Koblenz jüngst zu beantworten.
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin ist Halterin und Eigentümerin eines aus Liebhaberei gehaltenen, am 27.04.2020 geborenen männlichen Fohlens mit dem Rufnamen „Manolo“. Die Beklagte betreibt gewerblich einen Pferde-Pensionsstall, der auch eine Offenstallhaltung umfasst. „Manolo“ wurde zusammen mit einer Gruppe von insgesamt acht anderen Pferden, bestehend aus drei ebenfalls zweijährigen Junghengsten und fünf Wallachen, im Jahr 2022 bei der Beklagten im Offenstall eingestellt. Insoweit wurde mündlich ein Pferdeeinstellungsvertrag zwischen den Parteien zu einem Preis von 140 € monatlich geschlossen.
Am 16.04.2022 erlitt der Junghengst „Manolo“ einen Unfall. Er stürzte über ein aus dem Betonsockel eines Dachträgers etwa 20 cm herausragendes Flacheisen (rund 3 cm breit und 0,6 cm stark), das dabei in seinen Bauch eindrang. Der Dachträger in Gestalt eines Holzpfahls, der die (überwiegende) Dachlast tragen sollte, war zu diesem Zeitpunkt beidseits nicht mit den im Betonsockel eingelassenen Flacheisen verbunden. Der Pfosten verschob sich deshalb vor dem Unfall des Pferdes durch eine Kollision mit einem spielenden Pferd, wodurch die Flacheisen freigelegt wurden. Bereits in der Vergangenheit rieben sich eingestellten Pferde häufig an diesem Balken, ohne dass sich dieser hierdurch verschob, was der Beklagten bekannt war. Das Pferd erlitt hierdurch eine perforierende Bauchwunde. Aufgrund der Schwere der Verletzung wurde das Tier unmittelbar in eine Tierklinik verbracht, wo es untersucht und behandelt wurde. Für die dortige Behandlung sind tierärztliche Kosten i. H. v. 9.047,63 € angefallen.
Die Klägerin trägt vor, die nicht miteinander verbundenen Flacheisen und der Pfosten hätten eine Gefahrenquelle dargestellt, die eine Verkehrssicherungspflicht ausgelöst habe. Der Balken habe letztendlich keine tragende Funktion mehr ausüben können, weil er am unteren Ende morsch gewesen sei und deshalb keine hinreichende Stabilität mehr aufgewiesen habe. Er sei zudem an seinem Fuß zur Seite beweglich gewesen. Es habe sich der Beklagten daher aufdrängen müssen, dass der nicht fixierte Pfosten bei Kontakt mit Pferden nachgebe und dann eine Sturzgefahr für sich anlehnende Pferde bestehe. Zudem habe die Beklagte auch mit einem Spiel oder Rangkampf der jungen Hengste rechnen müssen. Sie verlangt Ersatz der entstandenen Tierarztkosten und ihrer außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Sie trägt vor, der Pfosten sei ausreichend dimensioniert gewesen sodass ein willkürliches Verschieben praktisch nicht möglich gewesen sei, jedenfalls habe sie hiermit nicht rechnen müssen. Der Balken habe sich lediglich durch ein wildes Spiel der jungen Hengste mit übermäßiger Kraftentfaltung verschieben können. Insbesondere auch hiermit habe die Beklagte nicht rechnen können und müssen.
Die Entscheidung:
Das Landgericht Koblenz hat der Klage stattgegeben.
Dem Grunde nach ergibt sich der klägerseits geltend gemachte (Schadensersatz-)Anspruch aus den §§ 280 I, 241 II BGB und aus § 823 I BGB aufgrund der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte. Dadurch, dass die Beklagte in dem von ihr betriebenen Pferdestall, in dem das dort verletzte Pferd der Klägerin vereinbarungsgemäß untergestellt war, den Pfosten nebst Flacheisen nicht gesichert hat, hat sie ihre Nebenpflichten aus dem Vertrag, aufgrund dessen sie auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen hatte (§ 241 II BGB), fahrlässig und somit schuldhaft verletzt. Gleichermaßen hat sie sich durch diese Verkehrssicherungspflichtverletzung auch gem. § 823 I BGB für die hierdurch eingetretene Verletzung des Pferdes zu verantworten, das gem. § 90a BGB zwar keine Sache ist, aber gleichwohl im Eigentum der Klägerin steht.
Als Inhaberin der tatsächlichen Sachherrschaft am streitgegenständlichen Stall war die Beklagte für die in diesem befindlichen Gefahrenquellen verantwortlich. Eine solche Gefahrenquelle lag hier bereits dadurch vor, dass der gegenständliche Holzpfosten nicht mit dem Flacheisen verbunden war, an dem sich das Pferd der Klägerin schließlich verletzte, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob dies nicht bereits aus statischen Gründen erforderlich war. Das in der Anlage K2 vorgelegte Lichtbild verdeutlicht, dass die Flacheisen bereits ohne Einwirkung auf den Holzpfosten leicht in den Raum hin abstanden, der Pfosten selbst keinen Bodenkontakt und zudem Abstand zu den Flacheisen hatte sowie der Boden in der Nähe durch Unebenheiten geprägt war. In dieser Situation musste sich eine Verletzungsgefahr für die sich dort bestimmungsgemäß aufhaltenden Pferde bereits durch die nicht fixierten Flacheisen gerade zu aufdrängen. Ein Pferd, das in der Nähe und in Richtung dieser – aus welchem Grund auch immer – gestürzt wäre, hätte sich beinahe zwangsläufig erheblich an diesen verletzen können. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Pfosten nach dem – insoweit streitigen – Beklagtenvorbringen lediglich mit „übermäßiger Kraft“ der Pferde bewegt werden konnte, wodurch die Flacheisen vollends freigelegt wurde. Ein völlig atypischer, gänzlich außerhalb der Vorstellungskraft liegender Sachverhalt ist nicht ersichtlich und letztlich auch schon dadurch ausgeschlossen, dass es den spielenden Pferden gelungen ist, den Pfosten zu verschieben. Jedenfalls bei der Anzahl an Tieren, ihrem Gewicht, ihrer Kraft und in Relation zum hohen Gefahrenpotential der beiden frei stehenden Flacheisen musste ernsthaft damit gerechnet werden, dass der Pfosten - ggf. auch erst durch mehrere Tiere in einer dynamischen Situation - verschoben werden kann und die Gefahrenquelle dann vollends freiliegt.
Zwar ist unstreitig, dass bereits vor dem Unfall wiederholt Pferde auf den Pfosten eingewirkt und sich vor allem an diesem gerieben haben, ohne dass sich der Pfosten hierdurch verschoben hat. Dies erlaubte jedoch nicht den angeblich durch die Beklagte gezogenen Schluss, dies sei praktisch nicht möglich gewesen, der ebenfalls durch den Unfallhergang widerlegt ist. Nur weil der Balken jeweils einem sich hieran reibenden Pferd standgehalten hat, macht dies ein Nachgeben desselben gegenüber dem Gewicht und der Kraft mehrerer Pferde etwa im Spiel nicht unwahrscheinlich. Vielmehr hätte im Gegenteil spätestens das unstreitig wiederholte Wahrnehmen eines zielgerichteten Kontakts zwischen Pferden und ungesichertem Pfosten die Beklagte zu entsprechenden Sicherungsmaßnahmen veranlassen müssen.
Auszug aus dem Bürgerliches Gesetzbuch
§ 823 Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
…
§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
…
§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis
…
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
Landgericht Koblenz – Beschluss vom 25.08.2025 – 2 O 1/25
(vereinfacht dargestellt)
Kann eine Privatperson vom Betreiber einer Social-Media-Plattfom Auskunft zu den zu einem Profil hinterlegten Daten verlangen, wenn das Profil als Profilbild die Antragstellerin zeigt und deren eigenes Profil auch offensichtlich imitiert? Diese Frage hatte das Landgericht Koblenz jüngst zu entscheiden.
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin begehrt eine gerichtliche Anordnung über die Zulässigkeit der Auskunftserteilung durch die beteiligte Diensteanbieterin gem. § 21 Abs. 3 TDDDG betreffend ein näher benanntes Konto auf der Plattform von www.instagram.com. Die Beteiligte ist die Dienstanbieterin, die unter anderem die Social-Media-Plattform Instagram betreibt.
Die Antragstellerin trägt vor, sie selbst sei Nutzerin eines Kontos auf der Plattform Instagram mit dem Accountnahmen „xxx._.fh“. Anfang 2021 habe sie Kenntnis davon erlangt, dass es auf Instagram ein weiteres Konto mit der Bezeichnung „_xxxe_zt“ gebe, welches als Profilbild ein Foto von der Antragstellerin aus dem Jahr 2019 verwende. Dieses Konto sei optisch und inhaltlich mehrfach an ihre Person angepasst worden, so sei etwa auf diesem Konto ein Hinweis auf ein geplantes Auslandsjahr der Antragstellerin eingestellt worden, welchen sie zuvor auch auf ihrem eigenen Konto eingestellt habe. Es seien auch schon Personen von dem genannten fremden Konto in vermeintlich Namen der Antragstellerin angeschrieben worden. Der Kontoinhaber antworte zudem auch auf Anfragen an das Konto und gebe sich dabei explizit unter Angabe der vollständigen Adresse als die Antragstellerin aus. Bisherige Versuche, die Identität des Kontoinhabers zu ermitteln, seien erfolglos geblieben.
Die Beteiligte sei zur Auskunftserteilung berechtigt und verpflichtet, da es sich bei den Nachrichten und dem Profilbild auf dem Instagram-Account um audiovisuelle Inhalte nach § 21 Abs. 2 TDDDG handele. Der Begriff „audiovisuell“ sei weit auszulegen entsprechend § 1 Abs. 4 Nr. 7 DDG, der audiovisuelle Kommunikation als „Form der Kommunikation mit Bildern mit oder ohne Ton“ definiere.
Die Antragstellerin beantragt, der Beteiligten zu erlauben und diese zu verpflichten, Ihr Auskunft über Name und E-Mail-Adresse des Nutzers, soweit vorhanden auch dessen Telefonnummer zu dem auf der Plattform www.instagram.com betriebenen Nutzerkonto„_xxxe_zt“ zu erteilen
Die Beteiligte hat sich gegen den Antrag ausgesprochen. Diese hat sich gegen den Antrag ausgesprochen. Sie ist der Ansicht, die Voraussetzungen für eine Auskunftserteilung seien nicht hinreichend dargelegt worden. Bei dem Erstellen eines Instagram-Kontos oder dem Versenden von Textnachrichten handele es sich nicht um audiovisuelle Inhalte i.S.d. § 21 Abs. 2 TDDDG.
Die Entscheidung:
Das Landgericht hat den Antrag abgelehnt.
Die Voraussetzungen einer gerichtlichen Anordnung nach § 21 Abs. 2, 3 TDDDG sind nicht erfüllt. Nach § 21 Abs. 3 TDDDG entscheidet auf Antrag das Gericht über die Zulässigkeit einer Auskunftserteilung durch den Anbieter digitaler Dienste und zugleich über die Verpflichtung zur Auskunftserteilung. Inhaltlich richtet sich die Zulässigkeit wie auch die Verpflichtung nach Abs. 2 dieser Vorschrift. Danach darf der Anbieter von digitalen Diensten im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte entweder aufgrund rechtswidriger audiovisueller Inhalte oder aufgrund von Inhalten, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 185 bis 187, 189, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuches erfüllen und nicht gerechtfertigt sind, erforderlich ist. In diesem Umfang ist er gegenüber dem Verletzten zur Auskunft verpflichtet.
Im vorliegenden Fall behauptet die Antragstellerin aber gar nicht, dass es um Inhalte gehe, die einen der im Gesetz genannten Straftatbestände erfüllten. Voraussetzung der Zulässigkeit der Auskunftserteilung wie auch der Pflicht zur Auskunftserteilung wäre daher das Vorliegen rechtswidriger audiovisueller Inhalte. Der Begriff der audiovisuellen Inhalte ist im TDDDG nicht definiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch meint audiovisuell „zugleich hörbar und sichtbar, Augen und Ohr ansprechend“ (Duden). Auch die Entstehungsgeschichte des § 21 TDDDG in seiner heutigen Form spricht für die Annahme, dass reine Bilder und Textnachrichten nicht als audiovisuelle Inhalte gewertet werden sollten, Nichts neues gelte für die die Neufassung des § 21 Abs.2 TDDDG.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist nicht durch die Verwendung eines Fotos zusätzlich zu Textnachrichten ein audiovisueller Inhalt im Sinne des Gesetzes geschaffen worden. Eine Begründung, wieso nur optisch wahrnehmbare Textnachrichten kein audiovisueller Inhalt sein sollen, nur optisch wahrnehmbare Fotos aber doch, ist nicht ersichtlich. Auch der Verweis der Antragstellerin auf § 1 Abs. 4 Nr. 7 DDG überzeugt nicht. Allerdings wird in dieser Vorschrift audiovisuelle Kommunikation definiert als
„jede Form der Kommunikation mit Bildern mit oder ohne Ton, die einer Sendung oder einem nutzergenerierten Video gegen Entgelt oder gegen eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung beigefügt oder darin enthalten ist, wenn die Kommunikation der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder der Förderung des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, dient, einschließlich Sponsoring und Produktplatzierung.“
Zum einen geht es dabei aber explizit um eine „audiovisuelle Kommunikation“, nicht wie in § 21 Abs. 2 TDDDG nur um „audiovisuelle Inhalte“. Zum anderen stellt § 1 Abs. 4 Nr. 7 DDG seinerseits gerade auf „Sendungen oder nutzergenerierte Videos“ ab, enthält also gegenüber § 21 Abs. 2 TDDDG andere Einschränkungen, die ihrerseits wieder reine Fotos oder Textnachrichten ausschließen dürften. Vor allem aber ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Änderung von § 21 Abs. 2 TDDDG eine Auslegung der audiovisuellen Inhalte entsprechend der Definition in § 1 Abs. 4 Nr. 7 DDG und damit eine erhebliche Erweiterung der zuvor bestehenden Auskunftsrechte und -pflichten beabsichtigt hätte. Gerade wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 GG ist aber zu erwarten, dass der Gesetzgeber eine solche Erweiterung nicht ohne nähere Erläuterung quasi nebenher beschließen wollte.
Die Kammer stimmt im Übrigen durchaus dem Vorbringen der Antragstellerin zu, wonach eine § 21 Abs. 2 TDDDG entsprechende Regelung (ohne Begrenzung auf konkret strafbare Inhalte) auch für reine Bilder oder Texte oder reine Audionachrichten sinnvoll wäre, auch um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, vor allem aber, weil das Auskunftsbedürfnis, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, auch bei solchen Inhalten bestehen kann. Diese zu schaffen wäre aber Aufgabe des Gesetzgebers, nicht Aufgabe der Kammer.
Auszug aus dem Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei digitalen Diensten * (Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz - TDDDG)
§ 21 Bestandsdaten
(1) Auf Anordnung der zuständigen Stellen dürfen Anbieter von digitalen Diensten im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist.
(2) Der Anbieter von digitalen Diensten darf darüber hinaus im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger audiovisueller Inhalte oder aufgrund von Inhalten, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 185 bis 187, 189, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuches erfüllen und nicht gerechtfertigt sind, erforderlich ist. In diesem Umfang ist er gegenüber dem Verletzten zur Auskunft verpflichtet.
(3) Für die Erteilung der Auskunft nach Absatz 2 ist eine vorherige gerichtliche Anordnung über die Zulässigkeit der Auskunftserteilung erforderlich, die vom Verletzten zu beantragen ist. Das Gericht entscheidet zugleich über die Verpflichtung zur Auskunftserteilung, sofern der Antrag nicht ausdrücklich auf die Anordnung der Zulässigkeit der Auskunftserteilung beschränkt ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert zuständig. Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Verletzte seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft.
(4) Der Anbieter von digitalen Diensten ist als Beteiligter zu dem Verfahren nach Absatz 3 hinzuzuziehen. Er darf den Nutzer über die Einleitung des Verfahrens unterrichten.
Landgericht Koblenz – Aktenzeichen 5 O 123/20
(vereinfacht, nicht rechtskräftig)
Wie wirkt sich die von einem jeden Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr im Rahmen eines Unfalls bei sogenannten „Touristenfahrten“ auf dem Nürburgring aus? Diese Frage hatte das Landgericht Koblenz zu entscheiden.
Der Fall:
Die Parteien streiten um einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus einem Verkehrsunfallereignis.
Der Kläger befuhr am 02.06.2019 die Nordschleife des Nürburgrings. Im Bereich des Streckenabschnitts Schwalbenschwanz, Galgenkopf war das KRAD, welches bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, gestürzt. Zur Hilfeleistung hatte eine Dritte Person ihr KFZ zum Stand gebracht und wollte dem verunfallten KRAD-Fahrer zur Hilfe eilen. Auf der Strecke lag das KRAD des verunfallten KRAD-Fahrers mitten auf der Straße. Vor dem klägerischen Fahrzeug fuhr zudem ein PKW BMW M4. In der Folge fuhr das klägerische Fahrzeug auf das Heck des vorausfahrenden PKW BMW M4 auf, wobei weitere Einzelheiten zwischen den Parteien umstritten sind. Der Kläger behauptet, dass sowohl der Grünstreifen rechts von der Fahrbahn als auch die Fahrbahn durch zwei KFZ und das KRAD blockiert gewesen seien, sodass er binnen Sekundenbruchteilen und um Personenschäden zu vermeiden eine Notbremsung einleitete und mit seinem Fahrzeug gerade auf das Heck des BMW M4 auffuhr.
Der Kläger beantragt Ersatz des ihm durch den Verkehrsunfall entstandenen Schadens und seiner Auslagen. Die Beklagte beantragt hingegen, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass der vor dem klägerischen PKW fahrende BMW M4 kontrolliert zum Stehen gekommen sei und der Kläger zu spät auf das Bremsmanöver des vor ihm fahrenden Fahrzeuges reagiert habe. Bei ausreichendem Abstand, angepasster Geschwindigkeit und angemessener Reaktion hätte der Kläger sein Fahrzeug ohne weiteres unbeschadet hinter dem vorausfahrenden M4 zum Stillstand bringen können.
Die Entscheidung:
Die 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat der Klage nur in einem Umfang von 20 % stattgegeben, im Übrigen diese jedoch abgewiesen.
Der Kläger hat gegen die Beklagte aus dem Verkehrsunfall einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, § 823 BGB und § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG.
Unzweifelhaft hat sich der Unfall beim Betrieb der beteiligten Kraftfahrzeuge ereignet. Es kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass es sich für einen der Fahrer um ein unabwendbares Ereignis gemäß § 17 III StVG handelte. Unabwendbar ist ein Ereignis, das durch äußerste mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Abzustellen ist insoweit auf das Verhalten des so genannte „Idealfahrers“. Für das klägerische Fahrzeug ergibt sich die Vermeidbarkeit zur Überzeugung der Kammer in Anbetracht der ermittelten Ausgangsgeschwindigkeit von rund 135 km/h durch einen deutlich zu geringen Abstand zum vorausfahrenden BMW M4, als dieser aufgrund des auf der Fahrbahn liegenden Krads voll abgebremst wurde. Aber auch dem Fahrer des bei der Beklagten versicherten Krads ist vorliegend nicht der Nachweis gelungen, dass das Unfallereignis für ihn unvermeidbar gewesen sei. Unstreitig ist zwischen den Parteien nämlich, dass der Fahrer mit seinem Krad gestürzt ist und das Krad in der Folge auf der Fahrbahn gelegen hat. Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG hängt der Umfang des zu leistenden Schadensersatzes daher von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Unfallbeteiligten verursacht worden ist. Vorliegend ist dabei zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass dieser unstreitig auf den vorausfahrenden BMW aufgefahren ist. Gegen den Kläger streitet dabei, dass er vorliegend entgegen § 4 Abs. 1 StVO zu dem vorausfahrenden Fahrzeug einen zu geringen Abstand aufgewiesen hat. Demnach steht für die Kammer fest, dass der Kläger auf Grund eines zu geringen Abstandes zum vorausfahrenden PKW mit diesem kollidiert ist. Auf Seiten der Beklagten verbleibt es allerdings bei der einzustellenden Betriebsgefahr, welche die Kammer vorliegend mit 20 % in Ansatz bringt. Nach der Rechtsprechung des OLG Koblenz ist bei so genannten Touristenfahrten, wie vorliegend, bei denen bei zu zügigem (sportlichen) Fahren ein Kontrollverlust über das Fahrzeug droht, hingegen beim langsamen (vorsichtigen) Fahren die Gefahr besteht, dass es zu Auffahrunfällen mit sich von hinten „im Rennmodus“ nähernden Fahrzeugen kommt, die Betriebsgefahr eines die Nordschleife des Nürburgrings befahrenden Fahrzeugs aufgrund der gefahrenträchtigen Örtlichkeit sowie der gefahrträchtigen Verkehrssituation als generell erhöht anzusehen (vgl. OLG Koblenz NZV 2023, 371, beck-online).
Die Betriebsgefahr des bei der Beklagten versicherten Krad hat sich vorliegend zur Überzeugung der Kammer auch kausal auf das Unfallereignis ausgewirkt. Die Kammer folgt insoweit den glaubhaften Angaben des Klägers, dass dieser eine Ausweichbewegung nach links vornehmen wollte, dies allerdings im Hinblick auf den sich auf der Strecke befindlichen Fahrer des Krads zur Vermeidung von Personenschäden unterlassen hat.
Demnach hat sich vorliegend die Betriebsgefahr des bei der Beklagten versicherten Krad kausal auf das vorliegende Verkehrsunfallereignis ausgewirkt, gleichwohl es keine direkte Berührung zwischen dem klägerischen PKW und dem bei der Beklagten versicherten Krad gegeben hat. Ausreichend ist nämlich, dass der Betrieb eines Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat (vgl. BGH r+s 2017, 95, beck-online).
Dies ist vorliegend der Fall und führt zu einer (anteiligen) Haftung der Beklagten in Höhe von 20 %.
Auszug aus dem Straßenverkehrsgesetz
§ 17 StVG Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge
(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.
(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.
Landgericht Koblenz – Urteil vom 03.07.2025 – 16 O 43/24
(vereinfacht dargestellt)
Ist ein Pauschalreiseveranstalter zum Schadenersatz der gesamten Pauschalreise verpflichtet, wenn der Kunde wegen einer Zugverspätung bei einem in der Pauschalreise angebotenen Rail&Fly Tickets nicht seinen Flug erreicht und deswegen die gesamte Reise storniert?
Der Fall:
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit einem Pauschalreisevertrag. Der Kläger hatte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten eine Nordeuropa-Kreuzfahrt mit Flug ab/an Frankfurt nach/ab Bergen via Amsterdam als Pauschalreise zum Preis von insgesamt 5.920,00 € gebucht. Gegenstand des Vertrages war unter anderem Rail&Fly ab allen deutschen Bahnhöfen zum Abflughafen Frankfurt und zurück. Der Abflug sollte am 05.11.2023 um 11:50 Uhr ab Frankfurt erfolgen. Für die Anreise zum Flughaften Frankfurt hatte der Kläger eine Zugverbindung bei der Deutschen Bahn gebucht. Danach sollte der Zug am 05.11.2023 um 9:18 Uhr am Frankfurt Flughaften Fernbahnhof eintreffen. Den Abflug des Fluges KL 1766 ab Frankfurt um 11:50 Uhr erreichte der Kläger und seine Frau wegen Verspätung Ihres Zuges nicht.
Der Kläger trägt vor, dass er die Reise rechtzeitig angetreten habe. Er sei mit seiner Frau am 05.11.2023 um 5:45 Uhr für die geplante Abfahrt um 6:18 Uhr in Halle eingetroffen. Aufgrund von Zugausfällen, Verspätung und einem verpassten Anschlusszug seien sie derart verspätet in Frankfurt angekommen, dass sie am Check-in-Schalter nicht mehr hätten einchecken können. Hilfreiche oder zielführende Serviceleistungen der Beklagten seien nicht erfolgt. Die Anreise mit dem Rail&Fly-Ticket sei eine Reiseleistung der Beklagten. Der Kläger fordert von der Beklagten einen angemessenen Ausgleich für die vereitelte Reise gemäß § 651n Abs. 2 BGB in Höhe von 50 % des Reisepreises.
Die Beklagte trägt vor, dass die Anreise mit der Deutschen Bahn nicht Vertragsbestandteil des mit der Beklagten geschlossenen Reisevertrages gewesen sei. Die Kläger hätten lediglich einen Rail&Fly-Gutschein erhalten, mit welchem der Kläger kostenlos mit der Deutschen Bahn zum Abreiseflughafen habe anreisen können. Aus den Informationen zum Rail&Fly-Gutschein würde sich ergeben, dass die Wahl einer Verbindung empfohlen werde, die eine Ankunft am Flughafen mindestens vier Stunden vor dem Abflug gewährleiste Dieser Empfehlung sei der Kläger nicht nachgekommen. Im Ergebnis habe der Kläger die Reise nicht angetreten, sodass der Flug ab Frankfurt/Main ohne ihn gestartet sei. Dies sei als sogenannte „No Show“ zu werten, mithin als Stornierung der Reise am Reisetag, sodass die Abrechnung einer Stornierungspauschale gemäß den AGB der Beklagten berechtigt sei.
Die Entscheidung:
Die 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat die Klage abgewiesen.
Der Kläger habe gegen die Beklagte aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Erstattung des Reisepreises. Zwar sei die Bahnanreise zum Flughafen mit dem Rail&Fly-Ticket als Bestandteil der Reiseleistung der Beklagten anzusehen, allerdings habe der Kläger das Nichterreichen des Fluges in Frankfurt/Main selbst verursacht, sodass er unter diesem Gesichtspunkt keine Rechte gegen die Beklagte geltend machen könne.
Die Beklagte habe nämlich in ihren Reiseinformationen darauf hingewiesen, dass für Reisen ins Nicht-EU-Europa-Ausland der Reisende drei bis dreieinhalb Stunden vor Abflug am Check-In des Flughafens eintreffen solle. Diesen Reiseinformationen komme auch nicht nur der Charakter einer unverbindlichen Empfehlung zu. Denn das Rail&Fly-Angebot mit grundsätzlicher freier Zugwahl sei ein Teil der Reiseleistung und mithin vom Schutz der Pauschalreise umfasst. Daher sei es dem Reiseanbieter aber auch möglich, abstrakte Verhaltensregelungen für eine sorgfältige Anreise vorzugeben, da ansonsten dem Reiseanbieter ohne ersichtlichen Grund das Risiko für grob fahrlässige Planungsfehler der Reisenden auferlegt werden würde.
An diesem Maßstab gemessen, habe der Kläger das verspätete Eintreffen am Check-In des Flughafens selbst zu verantworten. So hätte die für den Morgen des 05.11.2023 geplante Anfahrt mit der Bahn bestenfalls eine Ankunft um 9:18 Uhr am Bahnhof des Frankfurter Flughafens ermöglicht. Mithin wäre der Kläger bestenfalls zwei Stunden und 32 Minuten vor dem Abflug um 11:50 Uhr am Flughafenbahnhof angekommen und hätte von dort aus noch den Weg zum Check-In-Schalter zwecks der Gepäckaufgabe zurücklegen müssen. Diese Zeitplanung von Seiten des Klägers sei bereits bei einem optimalen Anreiseverlauf äußerst knapp kalkuliert und jedenfalls bei der geplanten Anreise mit der für ihre Unzuverlässigkeit bekannte Deutsche Bahn für sich genommen grob fahrlässig gewesen.
Auszug aus dem BGB:
§ 651n BGB Schadensersatz
(1) Der Reisende kann unbeschadet der Minderung oder der Kündigung Schadensersatz verlangen, es sei denn, der Reisemangel
1. ist vom Reisenden verschuldet,
2. ist von einem Dritten verschuldet, der weder Leistungserbringer ist noch in anderer Weise an der Erbringung der von dem Pauschalreisevertrag umfassten Reiseleistungen beteiligt ist, und war für den Reiseveranstalter nicht vorhersehbar oder nicht vermeidbar oder
3. wurde durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände verursacht.
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