Zivilverfahren

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Entscheidungen des Monats

Landgericht Koblenz – Urteil vom 14.03.2024 – Aktenzeichen 3 O 457/23
(nicht rechtskräftig)

Reicht es für eine wirksame Schenkung von Sparguthaben bei einer Bank aus, der Beschenkten die Sparbücher auszuhändigen? Diese Frage hatte die 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte hat zwei Sparbücher im Besitz, die zu Sparkonten des mittlerweile verstorbenen Bruders der Beklagten bei einer Bank gehören. Abtretungserklärungen betreffend das auf den Sparkonten vorhandene Guthaben in Höhe von insgesamt 92.148,41 € zugunsten der Beklagten liegen bei der Bank nicht vor. Eine Schenkung wurde auch nicht notariell beurkundet.

Der Kläger begehrt im Rahmen seiner Tätigkeit als Testamentsvollstrecker für den Nachlass des verstorbenen Bruders der Beklagten die Herausgabe dieser beiden Sparbücher an ihn. Er ist der Auffassung, dass die Sparforderungen mangels Abtretung an die Beklagte dem Nachlass zuzuordnen seien und damit auch die den Sparkonten zugehörigen Sparbücher. Eine Schenkung sei schon deshalb auszuschließen, weil die Beklagte unstreitig keine Schenkungssteuer gezahlt habe.

Die Beklagte behauptet, der Erblasser habe ihr die beiden Sparbücher im Mai 2019 übergeben und die Einlagenforderung durch Abtretung auf sie übertragen. Bei Übergabe der Sparbücher habe der Erblasser ihr erklärt, sie könne über das vorhandene Guthaben verfügen. Es habe sich um eine Schenkung gehandelt.

Die Entscheidung:

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat die Klage abgewiesen, weil die Sparbücher und die sich daraus ergebenden Sparguthaben durch Schenkung in das Eigentum der Beklagten übergegangen seien.

Da kein Schenkungsversprechen in notarieller Form vorliege, sei eine mündlich vereinbarte Schenkung nur dann wirksam, wenn sie vollzogen („bewirkt“) sei. Bei beweglichen Sachen hänge in aller Regel die Wirksamkeit der Schenkung nicht von einem notariellen Vertrag ab. Denn die Schenkung eines beweglichen Gegenstandes werde durch die Übergabe sofort vollzogen.

Bei einem Sparbuch reiche die Übergabe hingegen zum Vollzug der Schenkung nicht aus. Das Sparbuch verbriefe eine Forderung gegen die Bank. Die Forderung gegen die Bank gehe nicht dadurch auf einen Dritten über, dass das Eigentum an der Urkunde auf den Dritten übertragen wird. Vielmehr stehe das Eigentum an der Schuldurkunde bei einem Sparbuch dem jeweiligen Forderungsgläubiger zu (§ 952 Abs. 1 BGB). Wer das Guthaben aus einem Sparbuch an einen Dritten übertragen möchte, müsse mithin eine Abtretung der Forderung gegen die Bank mit dem Dritten vereinbaren. Der Vollzug einer Schenkung erfordere bei einem Sparbuch mithin grundsätzlich eine Abtretungsvereinbarung zwischen dem Schenker und der beschenkten Person.

Eine solche Abtretungsvereinbarung könne sowohl ausdrücklich als auch konkludent getroffen werden. Wer ein auf seinen Namen ausgestelltes Sparbuch an einen anderen mit dem Willen „das darfst Du behalten“ übergebe, verbinde damit regelmäßig die Vorstellung, dass mit dieser Absprache alles geregelt sein solle, was zur Bewirkung der Zuwendung erforderlich ist. Die Rechtsprechung nehme daher in bestimmten Fällen an, dass mit der Übergabe eines Sparbuches eine konkludente (stillschweigende) Abtretungsvereinbarung zu Gunsten des Beschenkten in Betracht komme, so dass die Schenkung mit der Übergabe des Sparbuchs vollzogen sei.

Dabei komme es allerdings auf die Umstände des Einzelfalles an, wobei es gefestigter Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum entspreche, dass in aller Regel in der Übergabe des Sparbuches ein wesentlicher Anhaltspunkt für die Abtretung der Forderung zu sehen sei.

Die Beklagte habe vorgetragen, ihr Bruder, der Erblasser, habe ihr die beiden Sparbücher im Mai 2019 ausdrücklich mit der Erklärung übergeben, dass sie über das auf den Sparkonten vorhandene Guthaben frei verfügen könne. Sie habe zu ihrem Bruder stets ein sehr inniges Verhältnis gepflegt und er habe sie mit der Schenkung der Sparbücher finanziell fürs Alter absichern wollen, nachdem sie sich seit der Kindheit stets um ihn gekümmert habe und ihm auch bei der beruflichen Ausbildung den Vortritt gelassen habe.

In diesem Zusammenhang sei zu Gunsten der Beklagten zu werten, dass jegliche Anhaltspunkte dafür fehlten, dass die Beklagte den Besitz an den Sparbüchern anders als willentlich durch den Erblasser erlangt haben könnte. Nach Durchführung der Beweisaufnahme sei das Gericht zudem zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte die Sparbücher von dem Erblasser mit einem entsprechenden Abtretungswillen übergeben bekommen habe.

Sofern für die Sparkonten bei der Sparkasse Westerwald Sieg keine entsprechenden Abtretungserklärungen zugunsten der Beklagten hinterlegt worden sind, stehe dies einer wirksamen Schenkung nicht entgegen. Eine solche sei für eine Schenkung nicht zwingend notwendig.

Auch stehe der Umstand, dass der Erblasser das Guthaben nicht zu seinen Lebzeiten auf die Beklagte hat umschreiben lassen, einem entsprechenden Zuwendungswillen nicht entgegen. Anhaltspunkte dafür, dass er über das Guthaben auf den Sparkonten noch in irgendeiner Form verfügen wollte oder sich entsprechende Verfügungsmöglichkeiten vorbehalten wollte, seien nicht ersichtlich.

Die fehlende Anzeige einer entsprechenden Schenkung gegenüber dem Finanzamt könne vielerlei Gründe haben, lasse jedoch keine belastbaren Rückschlüsse darauf zu, dass die Beklagte eine Schenkung nur erfunden habe. Insoweit könne die unterbliebene Anzeige darauf zurückzuführen sein, dass der Beklagten eine entsprechende Anzeigepflicht nicht bekannt war. Die steuerrechtlichen Folgen möge sie zu tragen haben, diese ständen jedoch der Schenkung als solcher nicht entgegen.

Landgericht Koblenz, Justizmedienstelle
Koblenz im Juni 2024

Landgericht Koblenz – Urteil vom 14.03.2024 – 3 O 267/22
(nicht rechtskräftig)

Steht einer Kundin nach einer Schädigung ihrer Haare durch eine vermeintlich fehlerhafte chemische Haarglättung ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zu? Diese Frage hatte die 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.

Der Sachverhalt:

Die Klägerin beauftragte die Beklagte, die einen Friseursalon betreibt, eine chemische Haarglättung bei ihr durchzuführen. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt bis über das Schulterblatt langes Haar. Nach Durchführung der Haarglättung war das Haar der Klägerin in den Haarspitzen unkämmbar und verfilzt. Das Haar musste um mindestens 10 cm Länge gekürzt werden. In der Folgezeit wurde ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt und ein Sachverständigengutachten eingeholt.
Die Klägerin behauptet u.a., es sei zu Strukturschäden an ihrem Haar gekommen, die darauf zurückzuführen seien, dass die Beklagte ein für ihr Haar ungeeignetes Produkt für die chemische Haarglättung verwendet habe. Infolge der eingetretenen Haarschäden habe sie sich massiv unwohl gefühlt. Sie habe ihre Sozialkontakte erheblich eingeschränkt und solche weitestgehend vermieden. Das Haarbild sei stark entstellend gewesen, ihr sei es nicht möglich gewesen die Haare zu frisieren oder ordentlich zu kämmen, da die Haare weiter abgebrochen und ausgefallen seien. Sie habe für fast ein Jahr das Haus nur mit Mütze oder Kappe verlassen. Bis zum Erreichen ihrer ursprünglichen Haarlänge dauere es bis zu sechs Jahren. Das massiv beschädigte Haar benötige eine kostenträchtige Intensivpflege.
Für den von ihr behaupteten Pflegeschaden (fiktive Kosten für die regelmäßige Intensivpflege der Haare nach der fehlerhaften Behandlung) macht sie einen Schadensersatz in Höhe von 4.955,85 € geltend. Hinsichtlich der vorgetragenen Einschränkungen durch die beschädigten Haare verlangt sie ein Schmerzensgeld von mindestens 5.000,00 €. Zudem verlangt sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen künftigen materiellen und immateriellen Schaden anlässlich der mangelhaften Haarbehandlung ersetzt.
Die Beklagte behauptet u.a., der Zustand der Haare sei durch eine von der Klägerin selbst vorgenommene Behandlung mit unbekannten Mitteln zurückzuführen. Ebenso komme eine andere, natürliche Ursache in Betracht, etwa eine vorangegangene Schwangerschaft der Klägerin. Zudem habe sich die Klägerin eine Typveränderung gewünscht, das Abschneiden der Haare auf Schulterlänge sei Teil dieses Wunsches gewesen.

Die Entscheidung:

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.09.2022 zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Nach der Vernehmung von Zeugen und aufgrund des Ergebnisses eines eingeholten Sachverständigengutachtens hat die Kammer festgestellt, dass das von der Beklagten ausgewählte und verwendete Mittel für die Behandlung der Haare der Klägerin ungeeignet und somit die vertraglich geschuldete Haarbehandlung mangelhaft gewesen sei. Ausweislich des Sachverständigengutachtens könne der an den Haaren der Klägerin eingetretene Schaden auch nicht durch eine Schwangerschaft oder durch von der Klägerin verwendete Drogerieprodukte eingetreten sein.
Da der Verlust und das Abschneiden von Haaren als Körperverletzung anerkannt sei, könne die Klägerin eine billige Entschädigung in Geld von der Beklagten verlangen. Der Anspruch solle den erlittenen immateriellen Schaden angemessen ausgleichen, dabei einerseits Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden gewähren sowie andererseits Genugtuung verschaffen für das, was durch den Schädiger angetan wurde.
Bei der Festsetzung der Höhe des Schmerzensgeldes hat die Kammer berücksichtigt, dass die Klägerin angesichts des Verlaufs des selbstständigen Beweisverfahrens und um sich nicht dem Vorwurf einer Beweisvereitelung ausgesetzt zu sehen, über einen Zeitraum von jedenfalls eineinhalb Jahren mit dem Makel unnormal strohiger, quasi verunstalteter Haare, den sie auch schlecht habe verbergen können, habe leben müssen. Dies habe eine erhebliche seelische Beeinträchtigung dargestellt. Weiter schmerzensgelderhöhend sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich angesichts des Ausmaßes der Haarschäden zu einem Kurzhaarschnitt gezwungen gesehen habe, um die optischen Auswirkungen möglichst gering zu halten und dennoch weiterhin damit habe leben müssen, dass ihr die Haare bei kleinster physikalischer Beeinträchtigung abgebrochen seien. Hinzu komme, dass die Beklagte nicht nur zunächst die Zahlung komplett verweigert, sondern sowohl im Verlauf des selbstständigen Beweisverfahrens als auch im vorliegenden Verfahren der Klägerin unterstellt habe, die Schädigung der Haare letztlich selbst verantwortet zu haben. Dies sei als schmerzensgelderhöhende zusätzliche Kränkung der Klägerin zu berücksichtigen.
Soweit die Klägerin für den von ihr behaupteten Pflegeschaden (fiktive Kosten für die regelmäßige Intensivpflege der Haare nach der fehlerhaften Behandlung) einen Schadensersatz in Höhe von 4.955,85 € geltend gemacht hat, wurde die Klage abgewiesen. Der behauptete Pflegeschaden sei mit fiktiven Heilbehandlungskosten vergleichbar, die nach ständiger Rechtsprechung nicht erstattungsfähig seien.
Da die Haare der Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung auf Schulterlänge nachgewachsen waren und auch mit Folgeschäden nicht zu rechnen sei, wurde die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Feststellungsantrags abgewiesen.

LG Koblenz – Urteil vom 27.02.2024 – 11 O 12/23
(nicht rechtskräftig)

Ist ein durch eine Verbraucherzentrale geltend gemachter Unterlassungsanspruch begründet, wenn eine Firma die online erklärte Kündigung eines Kunden von einem Bestätigungstelefonat abhängig macht? Diese Frage hatte die 11. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte bietet, auch gegenüber Verbrauchern, den Abschluss von Dienstleistungsverträgen über Dauerschuldverhältnisse unter anderem zur Bereitstellung von Webspeicherplatz, E-Mail-Postfächern und Servern an.

Der Kläger, ein eingetragener Verein (Verbraucherzentrale), begehrt von der Beklagten es zu unterlassen, dass die Beklagte auf eine online erklärte Kündigung gegenüber Verbrauchern behauptet, dass zur Wirksamkeit der Kündigung noch ein Telefonat mit der Beklagten erforderlich sei. Konkret hat ein Kunde seinen Vertrag bei der Beklagten per Internet gekündigt. Der Kunde hat daraufhin von der Beklagten die Mitteilung erhalten, er möge seine Kündigung binnen 14 Tagen telefonisch bestätigen, ansonsten bleibe das Vertragsverhältnis unverändert bestehen.

Der Kläger hat daraufhin die Beklagte abgemahnt und erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert.

Er behauptet, im Fall eines Anrufs nach der Kündigung werde seitens der Beklagten - mittels rhetorischer Kunstfertigkeit oder durch Anbieten anderer Vertragskonditionen - versucht, den Verbraucher zu überzeugen, von seinem Kündigungswillen Abstand zu nehmen.

Der Kläger ist zudem der Ansicht, die Mitteilung der Beklagten gegenüber Verbrauchern, dass nach einer Kündigung eine Rückbestätigung erfolgen müsse, stelle eine unlautere geschäftliche Handlung dar. Sie enthalte unwahre Angaben über Rechte des Verbrauchers.

Der Kläger beantragt der Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft zu vollstrecken an den Mitgliedern der Geschäftsführung, zu untersagen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern diesen nach einer der Beklagten zugegangenen Kündigungserklärung eines Dienstleistungsvertrages in Form eines Dauerschuldverhältnisses mitzuteilen, die telefonische Bestätigung der erklärten Kündigung sei erforderlich.

Die Beklagte ist der Ansicht, ohne die telefonische Rückbestätigung der Kündigung bestünde das Risiko, dass unberechtigte Dritte den Vertrag eines Kunden kündigen könnten. Auch für den Fall einer Kündigung nach § 312k BGB sei es für die Beklagte erforderlich, sich davon zu überzeugen, dass die Kündigung auch vom Erklärenden stammt. Dabei biete ein fernmündliches Gespräch ein Mehr an Sicherheit verglichen etwa mit einem Bestätigungslink innerhalb einer E-Mail. Es finde keine Irreführung des Verbrauchers statt. Außerdem werde eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers nicht beeinflusst.

Die Entscheidung:

Die 11. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat der Klage antragsgemäß stattgegeben.

Ein entsprechender Unterlassungsanspruch des Klägers ergebe sich aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3, 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG.

Der Kläger als Verein, der sich satzungsgemäß unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet, sei aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 4 UKlaG.

Das Vorgehen der Beklagten, den Verbraucher aufzufordern, seine Kündigung innerhalb von 14 Tagen telefonisch zu bestätigen, stelle eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Dazu gehörten auch Verhaltensweisen, die auf eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung oder das Ver-hindern einer Geschäftsbeendigung gerichtet sind.

Diese geschäftliche Handlung der Beklagten sei gem. § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, da sie gemäß § 5 Abs. 1 UWG unlauter sei. Danach handele unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornehme, die geeignet sei, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Die Kammer hat die Vorgehensweise der Beklagten als irreführend im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG eingestuft. Demnach sei eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers enthalte. Erfasst seien auch irreführende Angaben über deren Inhalt, Umfang und Dauer sowie etwaige Voraussetzungen für die Geltendmachung bestimmter Rechte, zu denen auch das Kündigungsrecht zähle.

Auch wenn die Beklagte nach Auffassung der Kammer ein grundsätzliches Interesse an einer Authentifizierung haben könne, wäre eine solche vorrangig durch eine Bestätigung über den von dem Verbraucher gewählten Kommunikationskanal zu erreichen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb ein an den Verbraucher unter der von ihm hinterlegten E-Mail-Adresse gesendeter Bestätigungslink zur Identifizierung weniger geeignet wäre, als ein Telefonat. Auch während eines Telefonats sei es der Beklagten nicht möglich, sich umfassende Gewissheit über die wahre Person ihres Gesprächspartners zu verschaffen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass es einem unbefugten Dritten, der sich Zugang zu der Kundennummer, der Vertragsnummer und dem E-Mail-Konto des wahren Vertragspartners verschafft hat, auch gelänge, in einem Telefonat über seine Identität zu täuschen.

Die Vorgehensweise der Beklagten sei auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die Beklagte stelle den Verbraucher nach Zugang seiner Kündigung vor die Wahl, seine Kündigung nicht telefonisch zu bestätigen, und in der Folge das Vertragsverhältnis fortzusetzen, oder innerhalb von 14 Tagen telefonisch Kontakt zu der Beklagten aufzunehmen. Es werde dadurch eine zusätzliche Entscheidung des Verbrauchers verlangt, ob er an der Ausübung seines Kündigungsrechts festhalten will. Ohne die irreführende Aufforderung der Beklagten würde der Verbraucher weder die eine noch die andere Entscheidung treffen.

Die erforderliche Wiederholungsgefahr ergebe sich daraus, dass die Beklagte eingeräumt habe, dass die beanstandete Vorgehensweise der Beklagten deren übliche Vorgehensweise sei.

Auszug aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

§ 5 Irreführende Handlungen
(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält ...

§ 8 Beseitigung und Unterlassung
(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden ...

LG Koblenz – Urteil vom 18.01.2024 – 1 O 258/22
(nicht rechtskräftig)

Bestehen Schadensersatz- und Auskunftsansprüche der Klägerin gegen die Herstellerin des Impfstoffs Comirnaty bei von der Klägerin nach einer Impfung behaupteten Gesundheitsschäden? Diese Frage hatte die 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin wurde dreimal mit dem von der Beklagten hergestellten Impfstoff Comirnaty geimpft.

Sie behauptet, seit den Impfungen unter einer Vielzahl von Symptomen, wie zum Beispiel Müdigkeit, Erschöpfung, Erbrechen und Lähmungserscheinungen, zu leiden. Ihrer Ansicht nach beruhen diese Beeinträchtigungen auf den erfolgten Impfungen.

Die Klägerin beantragt u.a., die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes (mindestens 150.000,00 €) zu verurteilen. Zudem soll festgestellt werden, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr alle aus der Schädigungshandlung bereits entstandenen und künftig entstehenden Schäden zu ersetzen. Außerdem verlangt sie von der Beklagten eine Vielzahl von Auskünften nach § 84a AMG hinsichtlich der Bestandteile, Tests und Auswirkungen des Impfstoffes.

Die Beklagte rügt, dass sich aufgrund des Sachvortrags der Klägerin schon keine tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen den Impfungen der Klägerin und den behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin ergeben. Insbesondere sei hierbei nicht annähernd ausreichend zum Gesundheitszustand der Klägerin vor den Impfungen vorgetragen worden. Zudem ist die Beklagte der Ansicht, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis des verwendeten Impfstoffs positiv sei. Die Fach- und Gebrauchsinformationen hätten zu jeder Zeit dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft entsprochen.

Die Entscheidung:

Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat die Klage abgewiesen.

Es bestehe auf Grundlage des Vortrags der Klägerin kein Anspruch nach § 84 Abs. 1 AMG.

Das AMG sei zwar anwendbar, weil es sich bei dem Impfstoff um ein Arzneimittel im Sinne des Gesetzes handele. Die Klägerin habe jedoch einen auf die streitgegenständlichen Impfungen zurückzuführenden Gesundheitsschaden nicht hinreichend dargelegt.

Die Klägerin treffe im Arzneimittelhaftungsverfahren eine erweiterte Darlegungslast, die beinhalte, jedwede Tatsachen vorzutragen, die im Einzelfall für und gegen eine Schadensverursachung sprechen. Dies schließe auch und insbesondere solche Informationen ein, über die nur die Klägerin verfügt, wie zum Beispiel Angaben zu Grund- und Parallelerkrankungen, Risikofaktoren oder die Einnahme anderer Arzneimittel. Dieser Darlegungslast sei die Klägerin nicht ausreichend und widerspruchsfrei nachgekommen. Insbesondere lege die Klägerin ihren Gesundheitszustand vor der Impfung und eine Kausalität der Impfung hinsichtlich der vorgetragenen Gesundheitsschäden nicht ausreichend dar.

Aus den von der Klägerin eingereichten fragmentarischen Unterlagen ergebe sich zudem, dass die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden zumindest teilweise bereits vor der Impfung vorlagen.

Aufgrund der mangelnden Substantiierung des Klägervortrags brauche daher nicht entschieden werden, ob der gegenständliche Impfstoff ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist. Die Frage, ob eine Vorlage an den EuGH angezeigt ist oder ein Informationsfehler im Sinne des § 84 Abs. 1 AMG vorliegt, müsse ebenfalls nicht beantwortet zu werden.

Weitere in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen seien aufgrund der nicht substantiierten Darlegung eines kausalen Schadens ebenfalls nicht gegeben. Auch der begehrte Auskunftsanspruch nach § 84a AMG setze voraus, dass die Klägerin Tatsachen darlegt, die die Annahme begründen, dass ein konkretes Arzneimittel einen Schaden im Sinne des § 84 Abs. 1 AMG verursacht hat.

Auszug aus dem Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG):

§ 84

(1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes in den Verkehr gebracht hat, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht besteht nur, wenn

  1. das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen oder
  2. der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist.

(2) Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist. Die Eignung im Einzelfall beurteilt sich nach der Zusammensetzung und der Dosierung des angewendeten Arzneimittels, nach der Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, nach dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schadenseintritt, nach dem Schadensbild und dem gesundheitlichen Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen. Die Vermutung gilt nicht, wenn ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Ein anderer Umstand liegt nicht in der Anwendung weiterer Arzneimittel, die nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet sind, den Schaden zu verursachen, es sei denn, dass wegen der Anwendung dieser Arzneimittel Ansprüche nach dieser Vorschrift aus anderen Gründen als der fehlenden Ursächlichkeit für den Schaden nicht gegeben sind.

(3) Die Ersatzpflicht des pharmazeutischen Unternehmers nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist ausgeschlossen, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels ihre Ursache nicht im Bereich der Entwicklung und Herstellung haben.

§ 84a
(1) Liegen Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat, so kann der Geschädigte von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft verlangen, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 besteht, nicht erforderlich. Der Anspruch richtet sich auf dem pharmazeutischen Unternehmer bekannte Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie ihm bekannt gewordene Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Bedeutung sein können. Die §§ 259 bis 261 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden. Ein Auskunftsanspruch besteht insoweit nicht, als die Angaben auf Grund gesetzlicher Vorschriften geheim zu halten sind oder die Geheimhaltung einem überwiegenden Interesse des pharmazeutischen Unternehmers oder eines Dritten entspricht.

(2) Ein Auskunftsanspruch besteht unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch gegenüber den Behörden, die für die Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln zuständig sind. Die Behörde ist zur Erteilung der Auskunft nicht verpflichtet, soweit Angaben auf Grund gesetzlicher Vorschriften geheim zu halten sind oder die Geheimhaltung einem überwiegenden Interesse des pharmazeutischen Unternehmers oder eines Dritten entspricht. Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz bleiben unberührt.